Ich habe hier einige Bilder zusammengestellt, die zeigen, wie sich der Garten entwickelt hat. Vielleicht wird dann nachvollziehbar, wie schön es ist, hier auf der Terrasse zu sitzen und im Garten Bienen, Schmetterlinge, Amseln, Meisen und Spatzen zu beobachten.
2017
So, nach einigen freien Tagen habe ich jetzt das Gefühl, genug im eigenen Saft geschmort zu haben... Wie berichtet ging es ja gesundheitlich nicht so gut. Vielleicht ist das aber auch alles eine Sache der Definition? So richtig "gesund" ist Toni noch nicht. Ab und zu gibt es auch jetzt noch Fieber-Nächte. Und ja, nachdem es beim Ausbruch dieser Erkältung von Toni auch Mama erwischt hat, machte ich mir Sorgen und Gedanken. Mehr als sonst, weil ich eben frei habe und nachdenken kann. So richtig Spaß machte das aber nicht. Selbstverständlich wünsche ich mir für meine Mutter, dass sie ein "schönes Alter" also ein schönes "reifes Lebensdrittel" hat. Doch was ich mir vielleicht darunter vorstelle, entspricht nicht unbedingt ihren eigenen Vorstellungen. Dass sie mehr Zeit für sich hat, beispielsweise oder dass sie besser schlafen kann. Natürlich kommt so eine Erkältung (oder Bronchitis oder was auch immer das war/ist) unvorhergesehen und ist anstrengend und sehr fordernd. Aber nachdem wir gestern gesprochen haben, verstehe ich, dass es für meine Mutter einfach dazugehört. So wie man sich vor einer Urlaubsreise auf verschiedene Möglichkeiten einstellt (z.B. eventuell im Stau zu stehen oder den einen oder anderen Mücken- oder Sonnenstich zu bekommen), so hat sie sich bei ihrer Entscheidung dafür, Toni zu Hause zu pflegen und allein zu versorgen, auch auf verschiedene, mögliche Situationen eingestellt. Für mich war diese Erkältungsphase in etwa wie: vom Regen schon ganz durchweicht zu sein und dann plötzlich Hagel mit Körnern in der Größe von Hühnereiern zu erleben. Für Mama war es ein heftiger Regenschauer nach einem wolkenverhangenen Tag. Sicher, sie wurde auch "nass", aber diese Ohnmacht, die man bei Hagel spürt, hatte sie nicht. Das sind zwei unterschiedliche innere Zustände. Mama war klar, dass es lange dauert, bis sie alles wieder trocken hat. Wohingegen ich geschockt erwartete, das Ausmaß des Schadens zu erfassen. Was lernen wir daraus? Ich kann/sollte noch eine ganze Ecke gelassener werden. Ja, aber abgesehen davon ist es einfach eine Sache der Einstellung oder eben Ansichtssache. Für Mama ist das ihr Weg, den sie keinesfalls im Glauben geht, sich zu opfern. Es war ihre Entscheidung und so will sie es tun. Also ist es meine Aufgabe, das so stehenzulassen. Ihr zuzugestehen, dass sie selbst für sich Verantwortung trägt und meine Vorstellung von "ihrem Glück" Unsinn ist. Auf sich selbst zu achten und fürsorglich zu sich zu sein, auch wenn das möglicherweise heißt, Dinge nicht zu tun, weil sie in dem Moment nicht gut tun... das ist immer ihr Rat. Als ich am Wochenende die Wohnung betrat, hörte ich Mama genervt vor sich hinschimpfen. Nicht ohne Grund aber mit erstaunlicher Wirkung! „Toni! Was soll denn das? Lass das jetzt!“ Nach der ersten Sorge (um Mama) hörte ich eine kurze Weile zu und ging dann zu den beiden.
Schließlich musste ich lachen: der Ärger gab ihr ganz offensichtlich die nötige Kraft und Energie, um Toni nach zwei Tagen Bettruhe mal wieder in den Rollstuhl zu befördern (auf die „alte“ Weise) mit Liftertuch und Deckenlifter und so wie es eben gemacht werden muss, wenn er keine Kraft hat, um aktiv mitzuhelfen. Das war so ein Tag, an dem gar nichts rund lief. Mama stolperte fast, der Sprudler fiel zweimal runter, der Fernseher funktionierte plötzlich nicht mehr (tags drauf war da zuminedest alles einfach wieder normal) und noch mehr solche Dinge, die nicht dramatisch waren (zum Glück), sich aber derart häuften, dass schließlich fast hysterisches Lachen als einzige Option übrig blieb. Nur als Beispiel: Wir sind ja gerade alle ziemlich angeschlagen (erkältungstechnisch) und Mama meinte, ich solle doch einfach auch inhalieren, das Gerät mit allem Zubehör stand ja direkt betriebsbereit neben mir. Ich nahm den Schlauch, schaltete es ein und hielt mir das Ende einfach vor die Nase. Mama (nach einer halben Minute): „Ha Karin, du musst ja schon den Vernebler anstecken!“ Den hatte ich völlig vergessen! Und hätte es wohl auch nach 5 Minuten nicht gemerkt... ups, peinlich! Es ist schon seltsam, wie schnell es gehen kann. In einem Moment wird aus Tonis Fortschritten wieder ein totaler Intensiv-Patient. Da sind plötzlich wieder tausend Schläuche und Geräte und Aufmerksamkeiten notwendig, die lange passé waren.
24 Stunden am Tag beatmen mit dem (lauten – aber glücklicherweise mit laaaangem Schlauch ausgestatteten) Sauerstoffgerät, regelmäßig absaugen, die Fersen und die Hüfte genauestens beobachten, da sonst schnell ein Dekubitus droht. Bei jedem Husten, bei dem es ihn durchschüttelt, rutscht die Atemmaske oder die Sauerstoff-Brille. Oder er entfernt das einfach, weil es ihn „stört“ (kitzelt, drückt, reibt – was auch immer). Auch dass sich das Leben quasi im Flur abspielt oder komplett ins Schlafzimmer verlagert (weil man ständig rennen muss), war sehr gewöhnungsbedürftig. Wobei, vielmehr zeigt es ja auf, wie gut es eigentlich bisher lief. Und wie selbstverständlich ich alle Mini-Fortschritte angenommen habe; ständig drauf wartete, weitere Fortschritte zu sehen. Tja, so läuft das ja immer: Erst wenn es weg ist, weiß man zu schätzen was man hatte! Inzwischen sind wir wieder darauf eingestellt. Denn glücklicherweise ist das ja auch so: man gewöhnt sich schnell! Toni schwitzt und kämpft mit einem Atemwegsinfekt.
Im Gegensatz zum letzten Mal, als er Fieber hatte, können wir dieses Mal ziemlich genau sagen, dass er wohl draußen einen Zug abbekommen hat, auf den er nun unterkühlt/verschnupft reagiert. Naja, mal ohne Flaps - er hatte zuerst eine heisere Stimme und fieberte dann am Abend auf. Anders als beim letzten Mal konnte er in den ersten Fieber-Tagen produktiv abhusten. Dann nicht mehr. Und das Fieber blieb. Mit Antibiotika ist er jetzt fieberfrei. Allerdings ist seine Sauerstoffsättigung so schlecht, dass heute auf die Schnelle dringendst ein Sauerstoffgerät beschafft werden musste. Zuletzt benötigte er vor drei Jahren Sauerstoff?!? Das geht nun schon mehrere Tage so, die Nächte sind definitiv kein leichtes Spiel und bieten kaum Erholung. Er ist durch das Fieber nun sehr geschwächt, hat kaum Kraft zum Husten. Er braucht viel mehr Sauerstoff als bei früheren Infekten, damit die Sättigung besser ist - gut ist aber auch anders. Irgendwie muss ich das alles wohl unterschätzt haben. Heute wurde mir klar, dass ihn das total zurückwirft. Allein schon kräftemäßig! Bis er wieder auf dem Stand von vor 8 Tagen sein wird, werden sicher Wochen vergehen! Das fordert also viel Einsatz und Geduld und enorm viel Kraft (auch weil die Pflege ja aufgrund seiner Schwäche wieder schwerer für Mama werden wird). Irgendwie hangeln wir uns von "Wenn nur... dann wird es besser..." zum nächsten "Wenn... dann...". Es kommen freie Tage, dringend benötigt, aber ich habe nicht die Erwartung, dass uns das zu neuer, frischer Kraft verhilft. Sicher, ich bin einfach erschöpft und müde. Ich frage mich, wie es dann erst meiner Mutter wirklich geht. Und ehrlich gesagt: da ist nicht mal mehr Kraft fürs "Sorgen machen"! Das ist wirklich eine neue Dimension des gefühlten jahrelangen Ausnahmezustands. Ich wünsche mir so dringend: Einfach eine Kraft-Dusche nehmen zu können und dabei bis obenhin voll aufgeladen werden mit Energie. Mit so viel Energie, dass es für die nächsten Jahre reicht. Dabei bin ich mir bewusst, dass es viele Familien gibt, in denen Pflege, Ausnahmezustände und Energie-Mängel ähnlich "wüten". Für alle, die das brauchen (noch viel dringender als ich, die ich abends zu mir nach Hause gehe und nicht jeden Husten-Versuch in der Nacht höre) versuche ich positiv zu denken und wünsche wenigstens erholsamen Schlaf, so kurz er auch ausfallen mag. Und wer weiß, vielleicht stehen irgendwann bald - vielleicht schon morgen - die Sterne etwas günstiger, sodass die kosmische Strahlung sich positiv auswirkt oder möglicherweise hilft mein Wunsch dabei, eine Gruppe der himmlischen Heerscharen herbeizusehnen, die lindernd beistehen oder in einem Mega Engel-Flashmob uns allen Kraft geben. Oder jeder von uns findet in sich die Quelle purer Lebenskraft, die uns hilft ALLES zu bewältigen, was sich uns bieten mag. Ja, das klingt doch wie ein Plan! Nächste Woche trifft sich erneut die Selbsthilfegruppe Tracheostoma.
Zum dritten Mal werde ich nicht dabei sein. Einerseits bin ich unglaublich neugierig und würde gern direkt die neuen Gesichter und Geschichten hören. Andererseits ist es für mich nicht möglich, mich so weit zurückzunehmen um ganz offen andere Schicksale mitzutragen. Doch mir geht das einfach zu nah. Noch immer habe ich persönlich an meiner Situation zu knabbern, würde lieber selbst sagen, wie schlimm ich es manchmal empfinde. Dabei ist das nicht angebracht, da es mittlerweile immer wieder neu-betroffene Familien gibt, die wirklich Hilfe brauchen, gehört und verstanden werden müssen. Tatsächlich melden sich immer mal wieder Betroffene oder Angehörige bei meiner Mutter und die meisten sind wirklich erleichtert. Es wird nicht alles automatisch besser dadurch. Aber es ist enorm wichtig, sich verstanden zu wissen, die eigene Situation und die Belastung mal loswerden zu können. Tipps zu erhalten oder einfach zu sehen, wo andere stehen oder sich weiterentwickeln. Das kann Hoffnung geben, selbst vielleicht auch mit der Zeit Fortschritte zu machen. Es sind so unterschiedliche Fälle, die alle eine Trachealkanüle haben oder hatten. Nicht immer kommt - so wie bei Toni - ein Tracheostoma mit einem Schädel-Hirn-Trauma in Kombination. Und manche Schädel-Hirn-Patienten haben gar kein Problem mit dem Tracheostoma, sondern können relativ zeitnah dekanüliert (also von der Kanüle wieder entwöhnt) werden. Aber auch bei Angehörigen von Schädel-Hirn-Patienten treten praktische Fragen auf, bei denen Mama aus eigener Erfahrung mit Rat zur Seite stehen kann. Schon dreimal kamen Familien zu Besuch, bei denen das Ende der Reha und damit die Frage der Unterbringung in einer Einrichtung oder aber eine Pflege in den eigenen vier Wänden im Raum stand. Es zu sehen und ganz einfach alle Fragen stellen zu können, die sich bei der Pflege zuhause stellen, führte meist zu Klarheit bei den Besuchern. Mich freut das immer, denn oft spürt man den Wandel in der Stimmung der Besucher. Wie es "leichter" wird und Entscheidungen sich herauskristallisieren. Überhaupt finde ich das wirklich fantastisch, dass es Mama möglich ist, auf diesem Weg zu helfen. Aus einem friedlich-verregneten Ostermontag-Nachmittag sende ich mal wieder ein Lebenszeichen hier in den Blog!
Es gibt nichts "NEUES", weltbewegendes - bei Toni ist alles größtenteils unverändert. Was ich aber anmerken möchte, ist seine Art, manchmal sogar in Sätzen zu antworten, statt Ein-Wort-Antworten zu geben. Das immerhin ist eigentlich doch etwas Besonderes und dankbar-machendes! Ansonsten dreht er sich munter selbst im Bett nachts. Manchmal hängt er auch halb am Bett-Galgen und hat die Füße über dem Seitenrand liegen, wenn Mama nachts das Licht anmacht! Aufgrund der langsamen Fortschritte in seiner Mobilität ist inzwischen der Deckenlift größtenteils nur noch "Dekoration". Die Transfers (das klingt immer so cool - als wäre man auf Reisen :-) - also das Fort-Bewegen vom Bett in den Rollstuhl oder den Duschstuhl, vom Rollstuhl auf die Toilette, vom Rollstuhl in den Rolli mit Elektro-Antrieb, vom Rollstuhl in den Sessel und all das wieder zurück - all, diese Transfers klappen inzwischen mit der Aufstehhilfe richtig gut. Dabei steht Toni auf der runden Dreh-Scheibe, hält sich am mittig angebrachten Griff. Mama kann mit einem Fuß ebenfalls auf der Dreh-Scheibe das Gegengewicht halten und ihn dann stehend drehen. Sieht spielend leicht aus. Zumindest, seit Toni das mit dem Stehen sicher und gut kann. Durch das häufige Trainieren des Stehen-Bleibens bei der Körperpflege, ist das mit der Zeit wirklich viel besser geworden! Er isst täglich sein Marmeladenbrot (oder zwei oder drei) zum Frühstück. Gern auch mal ein Stück Kuchen. Vorgestern gab er mir auf die Frage, was für einen Kuchen er denn gegessen habe, zur Antwort: Zwei Stückle! Die Nahrung (Sondenkost) wurde mittlerweile auch angepasst. Er hat mit der jetztigen (Banane-Milch) weniger Probleme. Er ist und bleibt halt "ein Süsser"! So viel - oder wenig - in der Kürze... Januar 2017
Am heutigen Sonnentag erscheint vieles nicht mehr ganz so hoffnungs- oder aussichtslos. Vor allem, da das alte Jahr von uns in gemütlich-ruhiger Zurückgezogenheit verabschiedet und ein Besseres begrüßt wurde. Der Jetzt-Toni selbst ist von Silvester meist völlig unbeeindruckt, mag ins Bett, wenn er müde ist und schnarcht über die Knallerei hinweg. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber so läuft das halt bei uns. Allerdings hat er wirklich häufiger klare Tage. Damit meine ich Tage, an denen er eben nicht "neben der Kappe" ist. An seinem Geburtstag waren wir alle total überrascht. Dass er am Telefon mit Gratulanten spricht (nicht nur "Ja", "Gut", "Okay", "Danke", "Ade" sondern richtige Antworten gibt: "Mach weiter so gute Fortschritte!" - "Haben wir vor!"), ist wirklich erstaunlich. Ihm war auch total bewusst, dass es sein Geburtstag ist. Sein 61. wohlgemerkt, auch das war ihm immer präsent. Beim Telefonklingeln hat er sich merklich vorbereitet und gefreut, weil er offensichtlich wusste, es kann nur wieder ein Anruf für ihn sein. In der Mittagspause gratulierte ich ihm und fragte nach, wie der Vormittag war. Er konnte aufzählen, wer alles schon angerufen hat und von wem er eine Mail erhalten (von Mama vorgelesen bekommen) hat. "Was hat sie gesagt?"- "Gratuliert!" An manchen Tagen erzählt er viel, aber das mag nicht immer stimmen, aber an seinem Geburtstag erinnerte er alles richtig! Das war für uns unglaublich. Eigentlich sogar unbegreiflich. Weil es einfach so gegensätzlich zu dem ist, was wir über lange Zeit beobachteten und worüber wir uns Sorgen machten. Es wäre schön, wenn das immer so wäre. Das ist es jedoch selten. Ich war total baff, wollte mir aber nicht allzugroße Hoffnungen machen. Aber immerhin ist es zu gewissen Bedingungen möglich, dass er eine länger anhaltende Klarheit an den Tag legen kann. Allein das ist ja schon überaus erleichternd und erfreulich! Seltsamerweise wusste er am nächsten Tag nichts mehr davon. Weder dass er Geburtstag hatte, noch dass er am Telefon mit manchem gesprochen hat. Doch am übernächsten war die Erinnerung nochmals da. Nun ja, ich habe aufgehört, es verstehen zu wollen. Es war so und wir alle haben uns darüber gefreut. Vielleicht wird es auch mal wieder so. An den allermeisten Tagen sind sowohl Klarheit und Nebel im Wechsel vorhanden. <2016>
Die Hoffnung, dass durch den Hund noch etwas mehr oder länger Aufmerksamkeit und Wachheit bei Toni gefördert wird, hat sich bisher nicht erfüllt. Neulich habe ich etwas über die Empathie-Fähigkeit gelesen und dass dafür die Hirnrinde „zuständig“ ist. Deshalb wundere ich mich nun nicht mehr darüber, dass wir das an Toni seit dem Unfall vermissen. Schließlich war die Hirnrinde bei Toni zeitweilig ganz aus der Form geraten. Statt der üblichen vielen Kurven und Kehren war es bei ihm – wie mir Mama 2013 nach einem der bildgebenden Untersuchungsverfahren berichtete – einfach nur eine Linie. Das hat sich wohl auch wieder verändert, kann aber sicher nicht so wie vor dem Unfall sein. Eine nachvollziehbare Erklärung für unsere Beobachtungen. Folglich „kümmert“ ihn vieles nicht so direkt. Zwar nicht immer, aber doch meistens ist da wenig Interesse für andere vorhanden. Oder es ist einfach nicht genug Kapazität oder Konzentration übrig für mehr als die eigenen Befindlichkeiten körperlicher oder geistiger Natur. Immer mal wieder ist er mit den Gedanken und seinem ganzen Wesen „bei der Arbeit“. Da braucht er Werkzeug oder Bauteile, Schaltpläne oder Leitern, Stecker, Schalter oder den Garagenschlüssel – was auch immer… Und ein Hund taucht bei seinen geistigen Arbeitseinsätzen nie auf. Aber er weiß, dass der Kleine da ist. Umgekehrt scheute der Hund nie vor dem Rollstuhl zurück. Auch bei Spaziergängen läuft er gern auch direkt beim Rad. Manchmal legt er sich einfach neben dem Rollstuhl hin. Irgendwie hat er wohl schnell begriffen, dass Toni niemals lange alleingelassen wird. Insofern ist es für ihn nicht schlecht, sich da in der Nähe aufzuhalten. Nur wie gesagt, viel Interaktion zwischen den beiden gibt es bislang nicht. Vor Kurzem allerdings hat er gebellt, als Toni im Begriff war, etwas Untypisches zu tun. Ich glaube er wollte erneut den Rollstuhltisch abbauen. Das war sehr hilfreich und ein gutes Gefühl. Das Bellen ist nämlich lauter und kommt VOR dem Scheppern, Poltern oder Knallen. So haben wir also Zeit zu rennen, um das Schlimmste zu verhindern. Da ist uns noch der Schock von seinem Auf-Steh-Versuch noch viel zu deutlich in Erinnerung. Nochmals so eine Aktion, wo wir ihn vom Boden aufklauben, ins Krankenhaus fahren und dann stundenlang versuchen die Blutung der Nase zu stillen? Nein, danke! Bitte nicht! So ist „das Hundle“ also für uns ein Auf-Toni-Achten-Helfer, mit seiner freudigen Energie ein Stimmungs-Aufheller und im Notfall ein Achtung-da-ist-was-Beller! Gerade eben allerdings hat Toni den (frischgewaschenen) Hund auf dem Schoß gehabt und mit beiden Händen gestreichelt und dabei geschmunzelt. :-) Vielleicht kommt da mit der Zeit noch mehr... Neulich habe ich geträumt.
Aus einem schmalen roten Büchlein wurde beim Aufschlagen ein Fotoalbum. Darin lauter Bilder von Familienfeiern im früheren Zuhause. Die Zimmer sahen zwar ganz anders aus, aber es war trotzdem das Zuhause. Auch die Feste selbst haben so nicht stattgefunden. Mich überkommt noch immer Gänsehaut und auch eine Art Traurigkeit, weil es nicht möglich war, wirklich mitzufeiern. Ich hab das Bild betrachtet Die Küche eine Mischung aus dem Raum des früheren Zuhauses und der Stube meiner Großeltern mütterlicherseits. Ein Christbaum in der Ecke, eine lange Tafel gedeckt und daran Menschen, so viele. Zuerst fiel mir mein Opa an der Stirnseite ins Auge, direkt neben ihm Toni. Beide überaus ausgelassen und fröhlich, auch das eher ungewöhnlich. Mich selbst sah ich auch als kleines Mädchen mit einem anderen Kind plaudern. und bevor ich noch etwas oder jemand anderes wahrnehmen konnte, war es schon vorbei. Etwas verwirrt dachte ich darüber nach, ob es das Fest denn gegeben haben kann. Ich kann mich noch gut an den Weihnachtsbaum meiner Großeltern erinnern. Da sind wir früher als Kinder an einem der Weihnachtsfeiertage zusammengekommen mit der Familie. Ich kann mich an die Anis-Plätzchen von Oma erinnern und dass es im „Spielzimmer“ nebenan immer sehr kalt war. Aber haben wir da mal gegessen? Gab es da was anderes als Kaffee? War es dunkel und wann sind wir dann nach Hause gefahren? Wie Opa oder Oma das Feuer schüren seh` ich noch vor mir. Genauso wie die weißen Tassen mit den grünen Punkten. Meine Mutter hatte früher an Weihnachten immer eine Krippe mit faszinierend detailreich geschnitzten Holzfiguren im Esszimmer aufgebaut. Den Raum mochte ich im Winter sehr. Offen zur Küche, mit Teppichboden und der eigentlich viel zu dunklen und rustikalen Holzvertäfelung wirkte er sehr warm auf mich. Da saßen Mama und ich am Abend des 24. Dezember 2012 bei Kerzenschein. Ohne Krippe. Die Füße hochgelegt. Haben wir was gegessen? Nebensächlich. Wir waren bei Toni in der Klinik gewesen (oder sind am nächsten Tag gemeinsam mit dem Auto hingefahren) oder beides … Ich könnte es nachlesen, aber ich möchte mich im Moment lieber nur so ein klein wenig daran erinnern. Ziemlich sicher waren die Laptops an und wir spielten jede für sich Solitär oder so. Zumindest erinnere ich mich so. Rätselhefte haben wir auch gehabt. Das war unglaublich wichtig. Sudokus, Rätsel, einfache PC-Kartenspiele – das Gehirn beschäftigen, etwas tun, sich ganz auf eine kleine Aufgabe konzentrieren. Den Sorgen und Gedanken nicht zu viel Raum geben. Und wie wird es dieses Jahr? 2016
Nachdem wir alle drei gerade mit den Auswirkungen einer Erkältung - in Toni's Fall einer Bronchitis - zu kämpfen haben, ist der allgemeine Zustand treffend mit kraft- und saftlos zu bezeichnen. Irgendwie reicht's. Sowohl meiner Mutter als auch mir. Deshalb kann ich auch nicht so tun, als wäre alles leicht und einfach. Klar, es könnte schlimmer sein und es gibt vieles, für das wir dankbar sind. Doch irgendwie muss auch mal raus, dass es wirklich anstrengend ist. Kräftezehrend und dass wir schwer damit klar kommen, zu akzeptieren, dass es nun - zumindest geistig - nur noch um "Standerhaltung" geht. Nichts was wir tun können, kann daran etwas ändern. Es wäre schön, wenn wir die Stecker neu verkabeln und ihn einfach rebooten könnten. Stattdessen müssen wir zusehen, wie er immer weiter versinkt. Ist das Demenz? Oder einfach nur die "normale" sprich zu erwartende Schädigung seiner geistigen Fähigkeiten aufgrund des Schädel-Hirn-Traumas? Wir sind jetzt schon geraume Zeit immer irgendwie in Alarm-Bereitschaft, da eine Veränderung im Verhalten oder der Persönlichkeit, die spontan auftritt, ja immer auch ein Hinweis auf eine Veränderung der (ich nenne es mal) Hirn-Situation sein könnte. Beispielsweise kann zu viel oder eben zu wenig Liquor abfließen, was sich dann durch eine Veränderung des Hirndrucks eben auch durch Schmerzen oder plötzliche Veränderungen seines Zustandes äußern könnte. Aber alles was wir beobachten, ist so minimal-dosiert, dass es möglicherweise wetterbedingt sein kann. Oder dass durch einen Harnwegsinfekt eine Verwirrung auftritt. Oder es ist eben einfach das schon geschädigte Gehirn, das jetzt vielleicht doch auch noch dement zu werden scheint. Toni hatte mehrere Tage Fieber und kaum eine hörbare Stimme. Die Erkältung legte sich bei ihm im und um den Kehlkopf nieder. Er halluzinierte wohl auch, denn er bat uns mitleiderregend krächzig, doch bitte die Musikanlage auszuschalten. Erst fragte er meine Mutter. Dann später mich direkt, fast flehentlich. Durch das Fieber hatte er wohl Ohrgeräusche oder Halluzinationen, jedenfalls war es ruhig. Nichts war an, kein Fernseher, kein Radio - nichts. Und er wollte so verzweifelt, dass wir endlich ausschalten, was er hörte. Was tun? Wie soll man da beruhigen? Ich finde es ja schon zu "gesunden", also an fieberfreien Tagen, schwierig, mit seinen Wünschen umzugehen. Oftmals ist entweder eine Melde- oder Alarmanlage zu reparieren, wofür er einen Schaltschlüssel oder sonst etwas braucht. Neulich zeigte er auf den Rauchmelder an der Decke und berichtete meiner Mutter, dass dieser sabotiert sei. Irgendwie ablenken. Aber auch das kostet Kraft. Die Situation, dass wirklich alle angeschlagen sind, hatten wir so noch nicht. Entweder war ich erkältet, oder ich und Toni. Meine Mutter hielt sich immer tapfer. Doch dieses Mal ist wohl einfach zu viel Unnötiges vorgefallen. Das hat nicht mal vorrangig was mit Toni und der Situation zu tun. Das Drumherum ist einfach zuviel gewesen. Nicht zuletzt der Auto-Auffahr-Unfall, den sie nicht verschuldet und glücklicherweise unverletzt überstanden hat. Aber deswegen mussten wir 3 Wochen lang auf das Auto verzichten und hatten keine Möglichkeit, mit Toni mal zum Einkaufen oder irgendwo sonst hin zu fahren. All das war einfach zu viel. Deshalb: uns reicht's jetzt. Das jetzt eher so eine Ansage ans Universum und/oder Gott: Entweder brauchen wir jetzt eine Super-Power-Batterie-Blitz-Aufladung oder eben einfach ausreichend Zeit, um von allein wieder aufzutanken, bevor wir bereit sind, für den nächsten Schlag. Wir haben vor, das Jahr jetzt so gut wie möglich zu Ende zu bringen und nur das Nötigste noch zusätzlich zum Alltag anzugehen. Ich hoffe, dass sich Mama trotz des Schlafmangels aufgrund der Pflege und der durchhusteten Toni-Nächte mit unterirdischer Sauerstoffsättigung, bald ganz erholen kann. Deshalb und einfach weil es reicht: Alles was nicht irgendwie existentiell ist, wird warten müssen. Besuche oder längere Telefonate zählen da ebenso dazu, wie der alljährliche Weihnachtstrubel. Den haben wir auch in diesem Jahr abbestellt, weil es für uns anders gar nicht geht. Ich bitte um Verständnis. Wir sind nicht zum Grinch und Co. geworden und wünschen natürlich allen eine schöne Vor- und Weihnachtszeit. Aber wir müssen einfach schauen, woher wir wieder Saft bekommen - Lebenskraft, Zuversicht, so was halt. <2016>
Zum Schreiben komme ich gerade selten. Vielleicht ist das aber auch nur eine faule Ausrede? Seit dem Unfall vor bald exakt vier Jahren gab es viele Höhen und Tiefen, aber immer eine leichte Tendenz Richtung Besserung. Möglicherweise sind wir jetzt am besten Punkt der Besserung angekommen? Das ist bei diesen minimalen Veränderungen, die sich oft über einen längeren Zeitraum hin entwickelten, gar nicht so einfach festzustellen. Und es heißt nicht, dass Toni sich muskulär nicht noch steigern kann. Ganz im Gegenteil. Inzwischen fährt er das Motomed mit großem Widerstand, was natürlich anstrengend ist, aber er gibt nicht auf, sondern macht da mit großem Willen weiter. Schwerer zu akzeptieren ist das Stagnieren der „geistigen“ Fortschritte. Ich tu mir ganz schwer damit, zu begreifen, dass er enorme Fortschritte gemacht hat und trotzdem durch das Trauma und/oder die Operationen gewisse Schäden am Gehirn geblieben sind. Vielleicht hat Toni in dieser Hinsicht einfach das Ende der Fahnenstange erreicht? Es ist bitter, weil ich trotz all der üblen Aussichten irgendwie immer gehofft hatte, er würde wieder mehr so wie früher sein können. Aber das geht wohl echt nicht. Stattdessen wird er kräftiger und setzt seinen Kopf durch. Das bedeutet, dass man inzwischen gut aufpassen, was er anstellt. Einsichtig kann er leider nicht immer sein. Ich bin ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Phasen seiner Wachheit sich nach und nach immer weiter ausdehnen werden, bis er vielleicht 4 Stunden am Stück mal so ganz da ist, am Gespräch teilnimmt oder dem Gespräch folgt. Dann eine Ruhephase und dann wieder eine längere Wach-Zeit. Das hätte ich akzeptabel gefunden. Das Leben hält sich nur nicht an die von uns geschmiedeten Pläne… da kann bestimmt jeder ein Lied darüber singen! Tja, und weil es dauert, das zu benennen, es zu verarbeiten und dann darüber zu schreiben, dauert es hin und wieder etwas länger, bis hier im Blog neue Beiträge erscheinen. <2016> Nachdem ich schon im vergangenen Jahr lange hin und her überlegt habe, sind wir vor einiger Zeit darauf zu sprechen gekommen. Da auch meine Mutter bereits über ein Haustier nachdachte, sind wir dann relativ rasch auf den Hund gekommen. So kommt es, dass es nun eine neue Aufgabe gibt. Es ist eine Herausforderung, aber die Freude über den Vierbeiner mit seiner verspielten Art und die Hoffnung darauf, dass durch vermehrten Kontakt auch die wachen Phasen von Toni ausgedehnter werden, entschädigt für holprige Momente. Bisher hatten wir in den fünf Wochen seit der Abholung aus dem Tierheim viel an der Bindung und Erziehung zu arbeiten, aber bereits zweimal kam von Toni selbst aus der Wunsch, den Hund zu streicheln. Dann nehme ich den Kleinen auf den Schoß und setze mich neben den Rollstuhl, damit Toni ihm Leckerlies geben und ihn streicheln kann. Positiv ist außerdem, dass dadurch nicht die ganze Aufmerksamkeit stets nur um Toni kreist. Oft habe ich dabei den Eindruck gewonnen, dass ihm das zu viel wird und er sich deshalb in sich zurückzieht. Jetzt aber beobachtet Toni den Hund lächelnd, wenn dieser sein Spielzeug durch die Luft wirbelt und dabei Töne von sich gibt, als gelte es selbst Blinde von seiner Fähigkeit als Beutejäger zu überzeugen! Wie oft Mama und ich bereits durch den Hund zum Lachen gebracht worden sind – schon allein das befreite Lachen von Mama mal wieder zu hören… da habe ich erst betroffen gemerkt, wie lange das verstummt war. Wir haben nicht einfach irgendeinen genommen. Im Tierheim sind wir zu dritt (also mit Toni im Rollstuhl) aufmarschiert. Das Ziel war ja gleich von Anfang an, dass ein Streicheln möglich ist – also am Besten eine kleinere Art. Dass da wenige Tage zuvor ein Pudel-Mix als Fund-Tier angekommen war, erscheint mir wie ein Fingerzeig. Das gelockte Fell verliert kaum Haare – ist also perfekt, gerade auch im Pflegefall von Toni. So hätte ich mir das Fell auch ausgewählt, wenn man sich das Wunschtier einfach am Automaten zusammenstellen könnte! Anfangs wollte er sich von niemandem anfassen lassen, erzählte man uns im Tierheim. Aber er schreckte nicht vor dem Rollstuhl zurück, ging mit mir zum Spazieren und lehnte sich danach gleich an mich und ließ sich genüsslich kraulen. Da war ja eigentlich schon alles klar – das kapierte ich dann nach einigen Tagen schließlich auch mal. Für uns ist es der erste Hund und es dauert, sich darauf und auf den Kleinen im Besonderen einzustellen. Er fährt aber gern und problemlos mit uns im Auto, kann sich rasch entspannen und spielt richtig gern mit uns. Schon mehrere Male sind wir abends zu viert nochmal raus. Toni sitzt dabei im Elektro-Rolli. Bei diesen Gelegenheiten kommt dann manchmal von ihm aus der Wunsch, den Rollstuhl mit dem Joystick selbst zu steuern. Das gab es auch lange nicht. Dabei muss er sich ja extrem konzentrieren, genau auf den Weg achten und kann nicht einfach die Augen zumachen und blind weiterfahren. Er hat das auch bei längeren Strecken wirklich gut gemeistert. Dass er einmal einen Treppenabgang ansteuerte und Mama Mühe hatte, ihn und den Rolli zum Halten zu kriegen, erwähne ich bei dieser Lobtirade jetzt besser nicht. Ging ja nochmal gut und Toni grinste danach wie ein Lausbub bei einem gelungenen Streich. Ohne den Hund wäre diese Weiterentwicklung im E-Rolli-fahren so rasch sicher nicht gekommen. <2016> Toni macht erstaunlicherweise immer noch weitere Fortschritte. Das habe ich persönlich in den letzten Monaten so gar nicht wirklich wahrgenommen. Manchmal überwiegen Sorgen wegen anderer Dinge und verhindern so das bewusste Wahrnehmen in Verbindung mit einem Vergleich zum bisherigen Stand der Fähigkeiten… Aber jetzt habe ich das wieder beobachtet. Seit vielen Tagen verzichten die beiden komplett zu jeder Tages- und Nachtzeit auf den Decken-Lifter. Jeglicher Transfer wird ausschließlich über die Beine bewältigt. Das klappt wohl immer besser und vor kurzem konnte ich mich auch mal selbst davon überzeugen. Ich muss es sehen, damit ich die positiven Veränderungen auch nachvollziehen kann. Dadurch dass Toni bei der Pflege, beim Duschen, bei jedem Toilettenbesuch, bei jedem Transfer und dann natürlich noch einfach beim Aufstehen nur um zu Stehen oder ein paar Schritte zu gehen das Hinstehen übt, hat er in der Rumpfmuskulatur langsam wieder etwas Kraft und so klappt das immer besser! Selbstverständlich ist da noch viel Raum für weitere Verbesserung, aber immerhin stagniert es nicht – wie von mir befürchtet. Es strengt ihn an und er kann mit Körperspannung nicht mehr als zweimal hintereinander am Rollator (mit Sitzmöglichkeit hinten - siehe Foto) von der einen Wohnzimmerseite zur anderen laufen. Meine Mutter arbeitet echt hart dran, dass er nicht gleich alles auf einmal möchte, sondern sich konzentriert, erstmal bewusst und mit Körperspannung steht, bevor er den ersten Schritt macht. Ohne die Spannung zu halten hängt er schief und lehnt sich mit seinem Gewicht komplett an oder auf sie. So macht das ja einfach keinen Sinn. Also muss er lernen, im Kopf die Teilschritte zu planen und nacheinander durchzuführen. Gerade nach einer „blöden“ (sprich unruhigen) Nacht in der sie oder er oder beide kaum Schlaf gefunden haben, ist dieses Geh-Training wirklich fordernd. Für ihn und noch vielmehr für sie. Sie machen das aber gut, manchmal muss er einfach kurz warten, bis sie ihre Energie und Kräfte mobilisiert hat… und auch das klappt immer besser. Inzwischen haben die beiden die Zusammenarbeit wirklich beeindruckend hinbekommen, ganz ohne von einer weiteren Person abhängig zu sein! Chapeau! <2016>
Der Sommer hat uns bis jetzt ganz gut durchgeschüttelt - wenn auch zum Glück nichts Schlimmes passiert ist. Immer mal wieder treten die "geistigen Abwesenheiten" von Toni deutlich zu Tage. Meist können wir ihn aber wieder in die Gegenwart zurück führen, oder er ist nach kurzer Zeit auch wieder wirklich da. Das alles sicher als Folge des Schädel-Hirn-Traumas. Vor einigen Wochen war das "Zurückholen" nicht möglich. Da hatte er lange Phasen, in denen er weg war. Überzeugt, sich gerade an einem anderen Ort zu befinden, sich mit einer anderen Frau verheiratet zu wissen... völlig weg. Meiner Mutter sorgte sich ernstlich, als er über Kopfschmerzen klagte und sich nicht abbringen ließ, irgendjemanden anzurufen, den auch nur er in dem Moment kannte. Über Nacht hatte sich das nicht verändert oder verbessert, so dass auch ein Therapeut das für "nicht mehr normal" einstufte. Bei Bewusstseins-Eintrübung, Kopfschmerzen und sonstigen Veränderungen müssen wir hellhörig sein. In diesen Fällen könnte eine Störung des Shunts vorliegen. Der Hirndruck würde ansteigen, weil nicht ausreichend Liquor abfließt. Da ist ein rasches Handeln wichtig. Natürlich waren wir da völlig in Sorge. Eine Neu-Einstellung des Shunts oder gar eine Funktionsstörung und eine erneute Operation? Keine schöne Vorstellung! Am selben Tag noch fuhren wir also in die Klinik als Notfall zum CT. Glücklicherweise konnte im Gehirn keine Ursache für seine auffällige Verhaltensveränderung gefunden werden. Im Vergleich zu den Bildern seit der Unfall-Operation war sogar ein geweiteter Ventrikel wieder zu normalem Maß zurückgegangen. Also soweit positive Entwarnung, aber noch immer keine Antwort auf die Frage nach der Ursache seiner fast dement-artigen Verwirrtheit. Der Tipp in der Klinik: Harnwegsinfekte können ebenfalls Verwirrung verursachen. Das war uns neu, wurde sofort geprüft, war aber nur minimal nachweisbar. Auf eine Antibiotika-Behandlung (mit den ganzen Nebenwirkungen, die Toni dabei bisher immer zeigte) verzichteten wir. Mit viel Flüssigkeitszufuhr wurde es dann nach einigen Tagen wieder besser. <2016>
Bevor wir überhaupt mit dem richtigen „Ausflug vorbereiten“ anfangen können, haben wir die Chance zu wählen. Mit Auto? Oder zu Fuß mit dem E-Rolli? Für alle weiteren Strecken natürlich mit dem Auto. Aber brauchen wir am Zielort den E-Rolli oder bewegen wir uns dort nicht so weit fort? Dann also der leichte Rollstuhl mit dünnen Reifen! Toni kann entscheiden, ob er auf dem Beifahrersitz oder hinten im Rollstuhl sitzen möchte. Selbstverständlich ist das wetterabhängig. Im Winter geht das natürlich nicht. Da würde er zu leicht auskühlen. Bei starkem Regen oder bei angekündigten Regenfällen fällt die Option "Beifahrersitz" ebenfalls ins Wasser. Falls aber wetterbedingt nichts dagegen spricht, kann er es sich aussuchen. Je nachdem wird dann entschieden, welche Schuhe er anbekommt, wie er angezogen wird… Viel cooler ist es für meinen Auto-Fahren-Fan-Vater natürlich, wenn er vorn sitzt. Wenigstens auf dem Beifahrersitz, wenn wir ihn schon nicht selbst fahren lassen! Anfangs hing er da recht schief im Sitz. Aber inzwischen hat er eine bessere Rumpfmuskulatur, kann sich selbst ganz gut wieder geraderücken, wenn eine Kurve ihn mal aus dem Lot gebracht haben sollte. Aber dennoch wird er dort an der linken Körperseite durch Kissen gestützt. Sicherheitshalber. Das Einsteigen ist richtig super: Der Beifahrersitz dreht sich auf Knopfdruck um 90° aus dem Auto heraus. Dann fährt er sogar noch weiter raus und weiter runter. Mit dem Rollstuhl fahren wir parallel zum Auto heran, sodass sich die Sitzflächen an einer Ecke fast berühren. Vorher muss die Nahrungszuleitung abgestöpselt worden sein und er muss zuletzt Wasser bekommen haben (sonst trocknet die PEG ein). Toni zieht sich an Mamas Oberkörper hoch, in Trippelschritten dreht er sich dann rüber vor den Beifahrersitz und gemeinsam setzen sie ihn dort ab. Der Rollstuhl muss zur Seite, auf Knopfdruck fährt der Sitz zurück und dreht sich wieder ins Auto rein. Da ist dann der wichtige Moment, in dem auf die Füße geachtet werden muss. Die sollen ja auch mit rein ins Auto und das geht ohne unsere Hilfe noch nicht. Schließlich ist er drin, wird angeschnallt und links mit Kissen abgestützt. Meist werden noch die Beine wärmend verpackt und die Tür geschlossen. Der leere Rollstuhl wird hinten eingeladen, festgezurrt und der Rest des Gepäcks für die Fahrt verstaut. Sind wir angekommen, müssen wir höllisch aufpassen: Toni neigt dazu, sofort die Beifahrertür zu öffnen. Völlig egal, ob da von hinten ein Auto, Fahrrad oder Mensch kommt. Als wäre es ihm möglich, sich abzuschnallen und gleich raus zu hüpfen! Das ist eigentlich die einzige Situation, wo ich ihn ungeduldig erlebe. Beim Ankommen am Zielort – und vielleicht beim Essen ;-) Tja und dann kommt die ganze Prozedur wieder rückwärts dran, versteht sich. Aber obwohl das ein wenig aufwändiger ist, als ihn im Rollstuhl einzuladen, sind wir froh, ihm diese Variante anbieten zu können, weil er so gern Auto fährt, dabei immer aufmerksam schaut und es sichtlich genießt, vorne sitzen zu können. <2016>
Neben all dem anderen (Pflege/Therapien/Fort- oder Rückschritte) wird mir immer wieder auch deutlich, dass Flexibilität nicht so wirklich zu 100% zu unserem Alltag gehört. Meistens dann, wenn wir einen Ausflug planen. Eltern mit Kindern so zwischen 0 und 5 Jahren kennen das wahrscheinlich: wieviel passen muss (Hunger, Toiletten-Besuchs-Planung) und wieviel Zeug eingepackt sein muss, bevor man überhaupt erstmal aus dem Haus gehen kann! Am gelassensten können wir sein, wenn wir genau wissen, was uns erwartet. Was wir tun werden, was es zu essen gibt (das Toni auch essen kann – falls er das möchte), ob dort Kopfsteinpflaster, Rasen, Schotter oder geteerte Wege sind. Inzwischen bekommt Toni ja auch fast immer alles mit. Dann plötzlich vor einem Hindernis zu stehen ist blöd – bzw. macht mir ein blödes Gefühl. Klar, keiner erwartet, dass alles immer perfekt ist. Aber ich bin gern vorbereitet, habe die wichtigsten Punkte durchdacht und es stresst mich, wenn wir vorhaben irgendwohin zu gehen und dann dort so unebenes Gelände vorfinden, dass es mit dem leichten Rolli mit dünnen Reifen fast unmöglich ist, beispielsweise einen Hügel hochzukommen. Wir hätten Toni ja einfach in den anderen Rollstuhl setzen und ebenfalls Spazierengehen können, zum Beispiel. Hätten können, wenn wir es vorher gewusst hätten. Oder letzte Woche: Da fragen wir in einem Ort nach einem Café, da Toni sich zu Wort meldete mit „Wo gibt’s nachher Kaffee und Kuchen?“ Die angesprochene Person schwärmt uns vor: „XYs ist toll – ach, aber das geht ja mit dem Rollstuhl nicht! Hmm, naja, es gibt noch MN, etwa 10 Minuten weiter, den Berg hoch.“ (und unterschwellig schwingt mit: aber XYs ist einfach viel besser) Ha, wie witzig! Da überlege ich mir doch echt, ob ich nicht lieber Toni und Rollstuhl jeweils einzeln die 5 Treppenstufen hochschleppe, bevor ich mich einen steilen Hügel 10 Minuten lang hoch und dann wieder runter (fast noch schlimmer!) quäle. Das ist unflexibel von mir und nervt mich selbst. Und doch würde ich manchmal einfach gern so frei sein wie früher. Als wir überall da reingehen konnten, wo uns die Speisekarte oder das Ambiente zusagten. Nein, das muss ich anders sagen: wo wir überall ganz elegant und ohne Umstände, Schweißausbrüche, öffentliches Gaffen einfach hineingehen und einen Platz einnehmen konnten, ohne andere Gäste zu stören. Na gut, elegant war ich wohl eher selten – zumindest jedoch unauffälliger. Ich weiß, daran kann und muss ich arbeiten. Denn schließlich ist das eine Sache meiner eigenen Einstellung. Aber trotzdem! Im Moment sind wir noch nicht so häufig mit Toni im Rollstuhl unterwegs. Und noch seltener in fremdem Terrain. Wie seltsam, dass für mich das „Störfaktor“-Gefühl viel entscheidender geworden ist, als beispielsweise ob das Essen schmeckt! Vielleicht – so hoffe ich – wächst durch häufigere Ausflüge eine dickere Haut oder aber eine tiefere Gelassenheit, sodass ich spontaner und entspannter sein kann. Nochmals kurz zurück zu voriger Woche und der Café-Suche: Letzendlich waren wir in einem Selbstbedienungs-Bäcker, wo es auch eine Kaffeemaschine gab. Es war okay, wir hatten Platz, der Kaffee war gut, die süßen Stücke in Ordnung. Das Beste war allerdings die Atmosphäre: die anderen Gäste vermittelten uns durch ihre intensiven Gespräche in einer mir unbekannten Sprache das Gefühl, im Urlaub zu sein. Ich meine das jetzt wirklich positiv ernst. Keine Ahnung, ob die so laut miteinander über die eigenen Nachbarn, die Politik oder über uns sprachen. Wie herrlich entspannend! <<2013
In vielen Einrichtungen können Angehörige bei der Pflege mithelfen. Manche Pflegekräfte erklären Mama gern und viel. Vor allem, nachdem sie erfahren haben, dass sie ihn nach Hause nehmen möchte und in Zukunft selbst pflegen wird. In zwei Reha-Kliniken nimmt sie an einem sogenannten Pflegetag teil. Dazwischen liegen etwa 4 Monate und schon einige Veränderungen bei Toni. Bei dem ersten Pflegetag steht die Deckelung noch bevor. Zu der Zeit liegt er im Koma, komplett ohne Bewusstsein. Sie lernt dort, ihn zu lagern, erfährt über die Nahrungs- und Medikamenten-Zufuhr vieles. Außerdem natürlich über die Pflege des Tracheostomas und der Trachealkanüle. Er hatte auch noch eine Pfählungsverletzung erlitten. Diese Wunde muss auch versorgt werden. Diese Verletzung war (wie auch die zwei oder drei gebrochenen Wirbel) verglichen mit dem Schädel-Hirn-Trauma und den Operationen nicht lebensbedrohlich und uns in den ersten Tagen nach dem Unfall gar nicht bewusst gewesen. Mir zumindest nicht. Monate später, nach der erfolgreichen Deckelung und der Verlegung in eine Rehaklinik am Bodensee, nimmt Mama auch dort gleich zu Beginn an einem Pflegetag teil. Zu der Zeit wird er langsam wacher und Mama kann täglich viele Stunden bei ihm sein. Sie hat sich dort in einer Ferienwohnung einquartiert und die stundenlangen Fahrtzeiten (je 6 Stunden täglich) fallen weg. Mama hat sich dort auf ihre Aufgabe als pflegende Angehörige vorbereitet, so viel wie möglich aufgenommen und gelernt. Und sie hat auch viel selbst mitgemacht bei ihm. Die Pflegekräfte unterstützt und zum Teil das abgenommen, was ihr gezeigt worden war. Verwirrend wird es, wenn das Gelernte und Abgeschaute dann aber nicht von allen anderen Pflegern ebenso gemacht wird. Das verunsichert total! Viel Sorge macht uns, dass er häufig sehr viel Luft im Bauch hat und sich erbricht. Das ist ein täglicher Kampf - mit der eigenen Sorge, dem Glauben, dass es verhindert werden kann und der Hoffnung, alle Beteiligten nehmen die Sorge ernst und helfen mit, um das zu verhindern. Vor allem, weil die Aspirationsgefahr so groß ist. Es geht also nicht nur darum, dass es nicht schön ist (weder für ihn, noch für die Pflegekräfte oder für uns) – nein, es ist jedes Mal ein Risiko und jedes Mal wächst die Angst, dass eine Lungenentzündung die böse Folge sein könnte. Manchmal habe ich Glück und kann am Wochenende und in den Ferien während eines Besuch in der Klinik bei den Therapien anwesend sein. Mama ist immer dabei und hat schon von den Fortschritten berichtet. An einem Tag komme ich an und Toni wird gerade für die Ergotherapie aufrechter ins Bett gesetzt. Zu der Zeit ist er praktisch ein „Sack Kartoffeln“: keine Stabilität im Körper und keine Bewegung aus eigener Kraft. Kaum soll die Therapie losgehen, muss er sich übergeben. Ich werde angewiesen, hinter ihn ins Bett zu klettern und ihn unter den Achseln zu stützen, sodass möglichst alles ganz raus aus dem Körper kann. Das war echt viel für mich! Es ist schwer, ihn zu halten. Er hört auch nicht so schnell wieder auf. Grundsätzlich bin ich eher zimperlich. Ich mag Blut nicht so gerne sehen, offene Wunden auch nicht und bei so viel kaum verdauter Sondenkost bin ich ziemlich am Kämpfen. Diese Sondenkost riecht ja schon frisch aus der Flasche nicht besonders… Aber genug der Unappetitlichkeit für heute! (Mama hat schon damals ganz gut dokumentiert und jeden Tag schriftlich festgehalten. Deshalb fällt es mir nicht schwer, mich wieder dorthin zurück zu versetzen. Aber es ist anstrengend und kostet Energie. Irgendwie kann ich gar nicht glauben, wie viel da eigentlich alles „dumm gelaufen“ ist und dass wir jetzt so zufrieden sein können.) Die Zubettgehzeit variiert, es ist also nicht in Stein gemeißelt, wann Toni ins Bett gebracht wird. Meistens sagt er meiner Mama, wann er sich hinlegen möchte. Die Abendhygiene läuft folgendermaßen ab:
Im Bad wäscht er seine Hände, die Zähne werden gereinigt und er kann den Mund ausspülen. Das Schlafshirt wird ihm über den Kopf gezogen und die Arme steckt er selbst in die Ärmel. Mit dem Deckenlifter kommt er vom Rollstuhl ins Bett. Wahlweise, wenn er (und vor allem Mama) nicht zu müde ist, kann er vom Rollstuhl aus auch aufs Drehteller stehen und sich mit ihrer Hilfe auf dem Bett absetzen. Seitlich legt er sich dann hin und nimmt die Beine mit Unterstützung hoch aufs Bett. Inzwischen kann er bei der Lageveränderung im Bett aus eigenen Kräften gut mitmachen. Er hebt das Becken an, damit er ausgezogen werden kann. Seit neuestem kann er sogar das Becken anheben und weiter seitlich abgelegen! Das ist eine große Entlastung! Wenn er auf dem Rücken liegt, dann kann er sich größtenteils selbst auf eine Seite drehen, damit das Liftertuch oder Netz unter ihm hin- oder weggelegt werden kann. Zurück zur Mitte klappt auch. Das ist schon erstaunlich! Liegt er dann auf dem Rücken, streckt er sich oft genüsslich ganz lange aus. Meist möchte er noch eine Weile auf dem Rücken liegen bleiben. Die Temperatur und Sauerstoffsättigung wird gemessen. Wenn alles gut geht, ist die „Wasserleitung“ mit dem Urinbeutel noch eine Weile dran. Ansonsten platziert Mama die Urinflasche und schaut immer mal wieder ins Schlafzimmer rein. Sie fragt dann nach einer Weile leise, ob er auf die Seite liegen möchte und lagert ihn dann dementsprechend mit Kissen im Rücken und unter/zwischen den Knien und Füßen. Kann er lange nicht in den Schlaf finden, fragt Mama ihn, ob er seine „Schlaftröpfle“ nehmen möchte. Wenn ja, bekommt er diese und oft schläft er dann eine Weile ganz tief. Etwa 2x pro Nacht wacht Mama davon auf, dass sie ihn hört. Er räuspert sich, schluckt, hustet oder brummelt vor sich hin. Ich hoffe, er wacht davon auf, dass er merkt, wie er auf Toilette muss – das wäre für die Zukunft prima! Ist das dann erledigt, schläft er meist rasch wieder ein. Mama im besten Falle ebenfalls. Nachtrag: Seit ich das obige geschrieben habe, ist einige Zeit vergangen. In den letzten Wochen hat sich auch da eine Verbesserung gezeigt: Die Anzahl der nächtlichen Lagerungskissen ist deutlich zurückgegangen. Die Kissen an den Beinen hat er öfters weggestrampelt. Manchmal hat er sich auch aus eigener Kraft bereits komplett von der einen Seite zur anderen umgedreht. Das größte "Problem" (im Sinne von Kräfte zehrend, anstrengend und nervig) war und bleibt noch immer manchmal die nächtliche Flut. In manchen Nächten bleibt das Bett trocken. Meistens jedoch ist es etwas oder selten sogar komplett geflutet. Was auf sie zukommt, kann Mama meist schon riechen, bevor sie die Augen aufschlägt. Deshalb hat sie vor zwei Monaten den Tagesplan umgestellt und die Flüssigkeitsgabe so eingeteilt, dass er abends nicht mehr so viel Wasser bekommt. Ob dadurch oder sein wachsendes Bewusstsein auch für diese körperinternen Vorgänge - es scheint langsam besser zu werden. Ich hoffe sehr, das bewahrheitet sich und wird bald ganz gut! <<2014>>
Flexibel sein, sich an Neues anzupassen - das war sehr spannend und herausfordernd im März 2014. Nachfolgend wieder mal ein Blick zurück durch die Notizen von damals: Toni hat den „Ausflug“, den Arzt-Besuch, gut gemeistert. Er hat eine andere Art von Kanüle bekommen. Gefenstert, mit ebenfalls gefensterter Innenkanüle und Sprechventil. Er kann nun also wieder bzw. immer stimmhaft husten, schmecken und riechen. Scheinbar ist da was (Muskelzuckungen) im Kehlkopf, weshalb er voraussichtlich von dieser Kanüle dauerhaft nicht loskommt. Wie ich das finde, weiß ich nicht. Nach der Arbeit bin ich gleich hin und traf die Pflegekraft nicht mehr bei Mama und Toni an. Ich habe dann echt `ne Weile gebraucht, bis ich mich an die neue Optik und die Geräusche gewöhnt hatte. Toni entspannte sich nach einiger Zeit auch, hat eine gute Sauerstoffsättigung und einen ruhigen Puls gehabt. Nachdem Mama sich dann in einem Kabel verheddert & auf den Boden gelegt hat, blieb ich nicht mehr so lang. Drei Tage später: Es ist seit Freitag so viel anders bei Toni. Die Geräusche beim Atmen. Beim Schlucken mal was wie „Njamnjamnjam“. Das Husten – für mich ist das noch unklar, was das „normale Brummeln“ ist und wann er abgesaugt werden muss. Ich fragte Toni, ob er sich schon selbst an die andere Kanüle gewöhnt hat. Nein, meinte er kopfschüttelnd. Aber sonst hat sich enorm viel verändert: Er dreht und hebt den Kopf viel mehr und besser. Er hat viele Muskelzuckungen in den Beinen, als wolle er die Stützen des Rollstuhls mit den Füßen umbiegen. Eines Abends bauten wir sogar den „Helparm“ auf und da machte er mit und hat sich danach im Rollstuhl vom Rumpf her bewegt. Ich war gestern extrem angespannt. Ich bin das noch überhaupt nicht gewöhnt und erschrecke bei jedem Ton und jeder plötzlich von ihm ausgeführten Bewegung. Am Freitag hustete Toni beim Ins-Bett-Bringen sehr viel und auf einmal schießt er Mama beim Husten Sekret und das Ventil um die Ohren! Nachts hatte er erbrochen. Ich blieb von 10.45 bis 16.30. Wir haben viel gelacht. Toni hat imitiert, wie ich mit den Schultern zucke und auch eine Hasen-Wackel-Schnute nachgemacht! Voll cool! Und schließlich 16.04.2014: Toni macht große Fortschritte. Die Nächte sind in letzter Zeit meist gut. Er kann gut abhusten und hat dann auch mal für `ne Zeit seine Ruhe. Der verbesserte Schlaf führt auch dazu, dass er mehr kommuniziert, wenn er wach ist. Er lacht mit, winkt, macht Grimassen nach. Die rechte Hand kann so viel! Den Kopf hält er häufig selbst. Gestern hat er so ein Rhythmus-Ei in die Finger genommen und geschüttelt. Heute wieder, mehrmals auf Aufforderung. Das mit dem Stehtrainer freut ihn mega! Da hatte er einen ganz tollen Gesichtsausdruck, selbst wenn er das noch nicht lange kann und vom Oberkörper her nicht ganz aufgerichtet ist! Ich bin froh, dass er offenbar so entspannt ist, wenn ich da bin. Er ist dann relaxter beim Baden oder auch sonst! Mama ist das aufgefallen. Heut haben wir zusammen Zeitung gelesen. Er hält dann mit er rechten Hand einen Teil. Wenn er noch was hören oder schauen will, hält er fest, sonst bedeutet er mit der Hand ein Umblättern an. Da ist er ganz interessiert! Vor zwei Jahren also gewöhnte ich mich langsam daran, dass die Wachkoma-Stille und Reglosigkeit vorbei ist. Ich kann mich aber noch gut erinnern, wie alarmiert ich bei jedem ungewöhnlichen Geräusch war. Und das obwohl ich doch so auf Fortschritte und Verbesserung gehofft hatte. Sich an veränderte Umstände zu gewöhnen dauert eben eine Zeit. |
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August 2020
AutorIn den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Unfall fast immer mit dabei |