Wie geht es Toni?
Wenn er gefragt wird, wie es ihm geht, antwortet er meist: " GUT". In manchen Situationen ist er sich bewusst, dass ich rund um die Uhr in seiner Nähe bin und ihn versorge. Eine kurze Begebenheit bestätigt dies. Am Sonntag, 24.11. während ich Toni duschte, meinte ich: " Jetzt bin ich schon 7 Jahre tagein, tagaus für dich da und wo bleibe ich?" Zu meiner Überraschung antwortete Toni: "Im Haus". "Warum?", wollte ich wissen. " Weil's guad isch" ("Weil es gut ist"), sagte Toni. Ich fragte: "Für wen?" Toni: "Fir mi!" ("Für mich!"). Wie recht er doch hat! Denn er ist in jedem noch so kleinen und für uns selbstverständlichem Bereich der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme, des körperlichen und geistigen Wohlbefindens auf Hilfe angewiesen. Apropos "geistiges Wohlbefinden": Toni ist gedanklich meistens beim Arbeiten. Mal müssen EDV-Leitungen verlegt oder die Alarmanlage programmiert werden. Und ein anderes Mal sind Glasbruchmelder defekt, müssen Riegel-Schaltkontakte ausgetauscht werden oder die Alarmanlage lässt sich nicht mehr scharf schalten. Solche Informationen bekommen wir, wenn wir ihn fragen, wo er sich gerade in Gedanken befindet. Es kommt aber auch vor, dass er nachts unbedingt aufstehen will, um eine Störung zu beheben. Bei all diesen verschiedenen gedanklichen Beschäftigungen kommt mir (und auch Toni) zugute, dass ich mit ihm darüber sprechen kann, weil wir uns in unserem früheren Leben abends über unseren Arbeitstag ausgetauscht haben. Manchmal befindet er sich auch in Herbertingen; dort ist er aufgewachsen und zur Schule gegangen und war Mitglied im Ausschuss der Jahrgänger. Auch in diesen Momenten profitieren wir beide davon, dass ich aus seinen früheren Erzählungen mit ihm sprechen und gezielt nachfragen kann. Ich bin froh und dankbar über die bestehende, verständnisvolle und mitfühlende Verbindung - besonders zu den Ausschussmitgliedern. In den vergangenen Jahren hat sich Toni - was die Beweglichkeit betrifft - wieder viel erarbeitet, und er ist nach wie motiviert beim Trainieren. Dieser Fortschritt hat allerdings zur Folge, dass er nicht ohne Aufsicht sein darf. Denn auch wenn er "nur" in Gedanken arbeitet, muss er z. B. aufstehen, zur Tür hinaus oder an den PC. Es genügen ihm oft schon wenige Minuten, um uns manchmal mit unliebsamen Geschehnissen zu überraschen. Eine große Freude bereitet es uns, wenn er richtig wach und bei uns ist. Dann spielen wir zusammen "Mensch ärgere dich nicht", Kniffel oder Romme.
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Weihnachten 2019 für uns in unserer Welt – ein Fest …. … der Familie:
… der Liebe:
… der Freude:
… des Friedens:
… der Stille:
… der Besinnung:
Ich hatte als Kind hellblaue Lackschuhe, die ich wirklich sehr liebte. So sehr, dass ich nicht glauben wollte, sie könnten mir mal nicht mehr passen! Genau das ist aber passiert: sie wurden zu klein und es tat weh, sich da dennoch hinein zu quetschen, weil ich diese Schuhe unbedingt behalten wollte.
Gestern zog ich Toni seine Pantoffeln wieder an und dabei fiel mir das Märchen von Aschenputtel ein, wo zum Schluss der gläserne Pantoffel vielfach vergeblich anprobiert wird. Im Zusammenspiel mit den blauen Lieblingsschuhen gibt das möglicherweise ein nachvollziehbares Bild. Das Leben mit all den Möglichkeiten, das ich vor dem Unfall meines Stiefvaters führte, ist wie das Paar blaue Kinderschuhe: Obwohl es an ihnen nichts auszusetzen gibt und ich sie immer noch mag, kann ich darin nie mehr gehen. Mich reinzuquetschen täte unheimlich weh und geht gar nicht mehr ganz. Unter Schmerzen habe ich einsehen müssen: ich bin da herausgewachsen. So vieles im Leben der Menschen um mich herum ist für mich undenkbar und unerreichbar. Der Besuch einer Weihnachtsfeier oder Familienfeste – ich kann das nicht. Dauernd erinnert Schmerz daran, dass ich das nicht erreichen kann. Das ist als wären alle anderen in ihren Blauen Schuhen weitergegangen, während ich keinen Schritt darin mehr tun kann. Obwohl ich das gerne möchte, denn schließlich waren meine Schuhe (also mein Leben und seine Aussichten) gut. Oft ist das unendlich frustrierend. Ständig hinterfrage ich: Stelle ich mich nur blöd an? Müsste ich mich einfach zusammenreißen? Da es meiner Mutter aber ähnlich geht, glaube ich es ist einfach so. Durch den Unfall mussten wir wachsen. In eine andere Richtung als geplant. Deshalb können wir nicht mehr zurück, denn da passen wir nicht mehr rein. Das ist es, was wir meinen mit „der anderen Welt“ und „unserer Welt“. Und hier in unserer Welt reiße ich mich sehr zusammen. Ich bin zwangsweise optimistisch, da mein früherer Pessimismus uns auch nicht weiterhilft. Ich versuche wegzuschieben, was jetzt im Moment nicht lösbar ist und kümmere mich darum, gesund zu bleiben und jeden Tag aufzustehen. Alles reduziert sich auf ganz wenig. Auf Schuhe, die passen und in denen ich gehen kann. |
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August 2020
AutorIn den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Unfall fast immer mit dabei |