Wie geht es Toni?
Wenn er gefragt wird, wie es ihm geht, antwortet er meist: " GUT". In manchen Situationen ist er sich bewusst, dass ich rund um die Uhr in seiner Nähe bin und ihn versorge. Eine kurze Begebenheit bestätigt dies. Am Sonntag, 24.11. während ich Toni duschte, meinte ich: " Jetzt bin ich schon 7 Jahre tagein, tagaus für dich da und wo bleibe ich?" Zu meiner Überraschung antwortete Toni: "Im Haus". "Warum?", wollte ich wissen. " Weil's guad isch" ("Weil es gut ist"), sagte Toni. Ich fragte: "Für wen?" Toni: "Fir mi!" ("Für mich!"). Wie recht er doch hat! Denn er ist in jedem noch so kleinen und für uns selbstverständlichem Bereich der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme, des körperlichen und geistigen Wohlbefindens auf Hilfe angewiesen. Apropos "geistiges Wohlbefinden": Toni ist gedanklich meistens beim Arbeiten. Mal müssen EDV-Leitungen verlegt oder die Alarmanlage programmiert werden. Und ein anderes Mal sind Glasbruchmelder defekt, müssen Riegel-Schaltkontakte ausgetauscht werden oder die Alarmanlage lässt sich nicht mehr scharf schalten. Solche Informationen bekommen wir, wenn wir ihn fragen, wo er sich gerade in Gedanken befindet. Es kommt aber auch vor, dass er nachts unbedingt aufstehen will, um eine Störung zu beheben. Bei all diesen verschiedenen gedanklichen Beschäftigungen kommt mir (und auch Toni) zugute, dass ich mit ihm darüber sprechen kann, weil wir uns in unserem früheren Leben abends über unseren Arbeitstag ausgetauscht haben. Manchmal befindet er sich auch in Herbertingen; dort ist er aufgewachsen und zur Schule gegangen und war Mitglied im Ausschuss der Jahrgänger. Auch in diesen Momenten profitieren wir beide davon, dass ich aus seinen früheren Erzählungen mit ihm sprechen und gezielt nachfragen kann. Ich bin froh und dankbar über die bestehende, verständnisvolle und mitfühlende Verbindung - besonders zu den Ausschussmitgliedern. In den vergangenen Jahren hat sich Toni - was die Beweglichkeit betrifft - wieder viel erarbeitet, und er ist nach wie motiviert beim Trainieren. Dieser Fortschritt hat allerdings zur Folge, dass er nicht ohne Aufsicht sein darf. Denn auch wenn er "nur" in Gedanken arbeitet, muss er z. B. aufstehen, zur Tür hinaus oder an den PC. Es genügen ihm oft schon wenige Minuten, um uns manchmal mit unliebsamen Geschehnissen zu überraschen. Eine große Freude bereitet es uns, wenn er richtig wach und bei uns ist. Dann spielen wir zusammen "Mensch ärgere dich nicht", Kniffel oder Romme.
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Tonis Ziel ist vorrangig noch immer das Gehen! Dabei macht er ja wirklich schon gute Fortschritte. Allerdings ist noch viel Übung nötig. Vor einer Stunde waren wir im nahen Fitness-Studio - dort durften wir mit Toni im Rollstuhl hin und ein Laufband ausprobieren. Einfach um zu sehen, wie Toni das überhaupt bewältigen kann und empfindet. Der Vorteil am Laufband ist, dass es stabil steht und er unbewusst deutlich spürt: "Ich schwanke, weil ich links nicht genug Kraft aufbringe!" und sich so selbst korrigieren kann. Aber ich greife vor: Er bewältigte den Schritt auf das Laufband sehr gut, war sofort mit den Händen an den Stützgriffen und wollte schon fast vor dem Start losgehen. Die Geschwindigkeit von 0,8 km/h konnte er bewältigen, auch wenn es eher an der Obergrenze seiner momentanen Leistungsfähigkeit liegt. Wir stützten nur zu Beginn rechts und links unter den Armen, ließen aber los, als er meinte, er schaffte es auch so. Zum Staunen blieb kaum Zeit. Nach etwa 30 Sekunden machten wir eine kurze Pause. Wieder aufrichten und dann wollte er direkt weitergehen. Also das Laufband neu starten und los gings erneut. Toni trug ein stolzes Grinsen im Gesicht. Diesmal hielt er eine Minute durch, lief danach von uns gestützt rückwärts wieder vom Band runter und setzte sich erschöpft in den Rollstuhl. Zuvor sagte er auf Nachfrage, er sei nicht aufgeregt, er würde sich darauf freuen.
Nun ist er eine Weile wieder daheim und hat sich ausgeruht. Gerade hörte ich: Mama: "Wo bist du gerade?" Toni: "In Balingen." Mama: "Und was machst du?" Toni: "Injoy - für die Bewegung!" Herzlichen Dank an das Studio, dass wir einfach kommen und es ausprobieren konnten. Wir waren alle völlig baff, dass er das so "easy" bewältigt hat und offenbar richtig Spaß daran hatte. Ungewöhnliches Ergotherapie-Gerät Natürlich gibt es viele unterstützende ergotherapeutische Hilfsmittel mit denen Toni auch immer wieder übt. Aber seine Motivation ist beim Einsatz von Alltagsgegenständen am größten. Während einer Ergotherapie-Stunde fragte Mama den Therapeuten nach einem Gerät, bei welchem Toni seine linke spastische Hand besser trainieren kann. „Verschiedene Wasserhähne“, fiel unserem Ergotherapeuten spontan ein. Offensichtlich war Toni von dieser Idee begeistert. Denn er drängte darauf, zum Baumarkt zu fahren. Also verfrachtete Mama ihn kurzerhand ins Auto und fuhr mit ihm zum Baumarkt. Mit drei unterschiedlichen Wasserhähnen waren sie nach kurzer Zeit wieder daheim. Ein stabiler Styroporblock diente vorübergehend als Halterung für die Armaturen. Unser befreundeter Schreiner fand die Idee dieses Therapiegerätes sehr gut und fertigte aus hochwertigem Holz umgehend eine Befestigung für die Wasserhähne an. Glücklicherweise besaß er noch 2 defekte aber für diese Zwecke sehr gut geeignete, „therapeutische“ Exemplare um die Sammlung zu erweitern. Toni ist motiviert und kann daran nun beidhändig oder nur mit jeweils einer Hand die Hähne auf- bzw. zudrehen, die Siebchen ausschrauben und die Dichtungen auswechseln. Funktioniert prima!! :-) Seit einigen Monaten hat Toni ja deutliche Fortschritte gemacht. Nicht nur wörtlich beim Geh-Training sondern auch in der Kommunikation.
Er spricht zwar nicht normal, aber seine kurzen Antworten variieren inzwischen und klingen eher wie gehabt. Kurz hatte ich das ja bereits erwähnt. Vielleicht war das früher auch schon so und wir haben es aufgrund der eingeschränkten Kommunikation (Ja/Nein/Schulterzucken) nicht als solches wahrnehmen können. In letzter Zeit jedoch fällt uns vermehrt auf, dass Toni auch immer mal wieder bewusster wird. Ihm wird wohl manchmal klar, in welcher Situation er ist und findet das manchmal traurig. Dass er im Rollstuhl sitzt, vieles nicht mehr so kann wie früher. Das ist neu für uns. Seine Trauer mitzutragen, ihm seine vielen Fortschritte aufzuzeigen, ihm erklären, dass er zu Beginn ja nicht mal die Nase kratzen konnte, wenn es ihn dort kitzelte. Gleichzeitig erhalten wir durch die umfassenderen Antworten jetzt auch ein deutlicheres Bild davon, wo er sich „im Geiste“ aufhält, wenn er offensichtlich nicht unsere Realität teilt. Mama sagt dazu: "Er ist in seiner Welt." - dort ist er die meiste Zeit des Tages. Auf Nachfrage erzählt er dann, wo er gerade wohnt (und dadurch wird klar, in welcher „Zeit“ seiner Vergangenheit er sich befindet) und was er da macht, auf welcher Baustelle er arbeitet, wen er besucht. Wenn er sehr angestrengt, angespannt und unglücklich wirkt, fragt Mama nach, ob es dort schön ist. Wenn nicht, dann versucht sie ihn zurückzuholen und abzulenken. Fernsehen (Naturdokumentationen, Reiseberichte, etc...) ist da das effektivste Mittel. Gerade wenn er Gespräche mitbekommt, scheint er sich mehr Gedanken um seine Situation zu machen und ist dann traurig. Das ist ja eigentlich völlig „normal“ und nachvollziehbar. Im Grunde ist es sogar ein schöner Fortschritt. Dennoch ist es in gewisser Weise neu und wir müssen uns erst einmal darauf einstellen, mit der Trauer nicht mehr allein zu sein. Insofern also ein "mehr" an bewusst sein - sowohl für Toni in kurzen Momenten als auch für uns "zu Besuch in seiner Welt". In letzter Zeit ist vieles, was Toni macht, großartig, neu, nie dagewesen - immer wieder verblüfft er uns sehr!
Vor kurzem komme ich aus der Küche ins Wohnzimmer, weil ich ihn husten hörte. Da fragt er nach einem Schlucken: "Wann kann ich dann die Schupfnudeln essen?" Er hatte ja recht, die waren in der Pfanne. Wir hatten das Mittagessen gar nicht mit ihm besprochen... Offenbar bekommt er durch offene Zimmertüren doch so manches mehr mit, als wir dachten. Für mich kam das aus völlig heiterem Himmel. Ich hatte mit seinem inzwischen üblichen "verschluckt" gerechnet. Stattdessen aßen wir kurz darauf zu dritt Kassler, Schupfnudeln und Sauerkraut! Außerdem hat er sich jetzt angewöhnt, manche an ihn gerichtete Frage auch anders zu bestätigen als nur mit "Ja!" Neulich am Telefon war es "Ja", "Das ist richtig!", "Stimmt!" und "Genau!" Einfach so! Von sich aus! Ohne dass sich jemand beschwert hätte im Sinne von "Kannst du auch etwas anderes als nur immer ja sagen?!?" Außerdem macht er mit dem Erreichen seines Zieles "Gehen" echt Fortschritte!! Immer mal wieder kann er für Sekunden ungestützt frei stehen! Ich mag das gar nicht so richtig loben und erwähnen, aus Furcht, es folgt darauf ein Rückschlag. Aber trotzdem bemerke ich es hier, bin sehr froh darüber und gespannt, was als Nächstes noch kommen wird! Das ist es im Grunde immer: Ganz schön spannend! Nicht die Nachtigall und auch nicht die Lerche Der Sommer ist da!
Das bedeutet langes Sitzen auf der Terasse. Immer mal wieder zieht Grillgeruch um die Hausecken und Kinderlachen erklingt. Im Garten sind Hummeln, Bienen, Schmetterlinge und Taubenschwänzchen eifrig beim essen. Amseln, Meisen, Spatzen und der ein oder andere Fink bedienen sich ebenfalls, manchmal geräuschvoll streitend. Toni mag nach eigener Aussage aber daran eher, dass er den Verkehr der nahen Hauptstraße hören kann. Alles andere ignoriert er oft. Neulich winkte er seine Frau zu sich und begann eine lange Fragerunde, als müsse er sich orientieren: "Wer wohnt da oben?" "Und da drüben?" "Daneben?" "Wer wohnt dort?" Geduldig beantwortete Mama seine Fragen. Er erinnert sich noch an die Nachbarschaft von früher/vor dem Unfall, dem anderen Wohnort. Die jetzigen Nachbarn kennt er gar nicht. Bisher hat er sich aber auch nie dafür interessiert. Als alles für ihn zufriedenstellend geklärt war, nach einer kurzen Pause, stellte er eine letzte, überraschende und erheiternde Frage: "Welchr Vogl pfaifed do?" (Welcher Vogel pfeift da?) Der Vollständigkeit halber: Es war die Amsel! Toni möchte gehen. Selber. Mehr als 10 Schritte und ohne Gehhilfe. Das ist ihm sehr wichtig. Neulich fragte ich ihn, ob er es einfach gern versuchen möchte oder ob es ihm ganz arg wichtig ist, dass er das erreicht. "Ganz arg!" Also gut! Neues Ziel, neues Training! In dem Heft "Wachkoma" hatte Mama mal ein Bild gesehen von einem "Lauftraining" in einer Reha-EInrichtung. Der Aufbau bestand aus einem Laufband über dem ein großer Rahmen war. Der Patient stand auf dem Laufband und war mit einem Gurt gesichert, der obendrüber im Rahmen befestigt war. Schnell war klar: da wir die Schienen des Deckenlifters überall in der ganzen Wohnung haben, wäre das mit einem solchen Gurt sogar bei uns zu Hause möglich. Nichts schlägt das Training zu Hause! Oft ist es entscheidend, die wache Motivationsphase von Toni nutzen zu können. Was hilft es ihm und uns, wenn er wöchentlich ambulant irgendwo eine Therapie macht? Möglicherweise ist er an dem Tag zu der Zeit gar nicht wach und hat überhaupt keine Lust, mitzumachen. Das wäre dann echt schade, denn es ist immer ein Riesenaufwand, alles rechtzeitig für eine "Ausfahrt" vorzubereiten. Da es sogar vom Hersteller des Deckenlifts spezielle Gurte gibt, war es wirklich denkbar, das zuhause umzusetzen. Der Vorteil daran ist, dass sich Toni gesichert fühlt, aber dennoch selbst, also ohne unsere stützenden Hände auf sich "allein gestellt" ist.
Bisher ist er ja auch immer mal gelaufen. Rechts und links flankiert von je einer Person. Doch da spürt er nicht so deutlich, wie sehr er sich auf uns lehnt und wie wenig er selbst die Balance halten kann. Im Gurt, den wir seit Januar im Haus haben, fühlt sich Toni gesichert, kann sich hängen lassen und langsam ein Gefühl dafür gewinnen, welche Muskeln er anstrengen und benutzen muss, um allein zu stehen. Zusammen mit der Physiotherapeutin, die zuvor die Beinmuskulatur noch "beareitet", hat er das bereits mehrfach erstaunlich gut gemacht! Diese entscheidenden Bewegungen zu sehen, wie er sich aus dem Gurt aufrichtet - das ist schon toll! Natürlich fehlt ihm noch die Muskelkraft. Das wird noch einige Zeit Übung erfordern. Ich hätte aber nicht gedacht, dass er, was das balancierte Stehen betrifft, so schnell Fortschritte machen kann! Ohne den Gurt wäre uns und vor allem ihm das gar nicht bewusst geworden. Wir haben uns entschlossen, doch mehr Bildmaterial im Blog zu veröffentlichen. Manchmal sprechen Bilder eine deutlichere Sprache, gerade was die Entwicklung und die Fortschritte betrifft.
Hier eine kleine Auswahl - vom Wachkoma bzw. Apallischen Syndrom bis hin zum "Beidhändig-Knoten-Üben" oder PC-Solitaire-Spielen. Am 26. April 2018 um 18 Uhr ist im Konferenzraum des Hotel Stadt Balingen mal wieder Zeit für ein Treffen der „Selbsthilfegruppe Tracheostoma“ / „Schädel-Hirnpatienten in Not e.V. Balingen und Umgebung“.
Dabei fällt mir ein, dass ich noch immer nicht davon berichtet habe, womit Toni vorletztes Mal alle überrascht hat: Ich persönlich war leider nicht persönlich dabei – das schaffe ich einfach nicht, neben Arbeit und all dem anderen. Zeitlich und auch emotional-Kapazitäts-technisch. Nichtsdestotrotz bin ich immer interessiert, wer neu hinzukommt, wem es inzwischen wie geht und was überhaupt gesprochen worden ist. Das Treffen fand am üblichen Ort statt: Im Nebenraum eines Hotels, wo die Gruppe ungestört ist und wie immer gab es die Gelegenheit, etwas zu essen zu bestellen – für diejenigen, die das mögen. Das ist ja gerade für tracheotomierte Menschen das Allerschlimmste: nicht mehr in Gesellschaft „normal“ essen zu können. Diejenigen, bei denen es möglich ist, kleine Mengen in bestimmter Konsistenz zu sich zu nehmen, trauen sich das in Gesellschaft häufig nicht. Vielleicht aus Angst, sich schlimm zu verschlucken. Jedenfalls haben wir das bei Toni beobachtet. Doch in der „geschützten“ Umgebung der Selbsthilfegruppe, an deren Treffen regelmäßig auch die behandelnde Logopädin einiger Betroffener teilnimmt, überwindet der ein oder andere seine Hemmung. So auch Toni: obligatorisch ist seine Bestellung: Kräuteromelett! Je nach Konstellation der Gruppe, besonders bei neuen Gesichtern, findet danach eine kurze Vorstellungsrunde statt. Vorletztes Mal begann die Runde wie gewohnt und als die Person neben Toni mit ihrer Vorstellung fertig war, begann Mama als letzte, etwas zu Toni, zu sich und den beiden Selbsthilfegruppen zu sagen. Allerdings kam sie nicht weit! Sie holte Luft und bemerkte dann, dass Toni den rechten Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger Richtung Raummitte hob und schluckte. Dann begann er: „I bin dr Toni Merbach, Elektriker bei der Firma ***.“ Mama: „Und was ist Dir passiert?“ Toni: „I bin beim Schaffa auf d Kopf gfalla!“ (Bei der Arbeit auf den Kopf gefallen) Mama: „Und wie geht’s Dir jetzt?“ Toni: „Guat!“ Das hat die komplette Runde völlig überrascht und gefreut. Diejenigen, die seit Beginn dabei waren, konnten ja selbst beobachten, welche Fortschritte Toni gemacht hat. Aber dass er sich in diesem Rahmen selbst in den Mittelpunkt stellen würde... damit hat sicher keiner gerechnet! Tja, danach lief alles wie gewohnt weiter: der Austausch, das Essen... und zusätzlich das Staunen über manche Wunder! Aus einem friedlich-verregneten Ostermontag-Nachmittag sende ich mal wieder ein Lebenszeichen hier in den Blog!
Es gibt nichts "NEUES", weltbewegendes - bei Toni ist alles größtenteils unverändert. Was ich aber anmerken möchte, ist seine Art, manchmal sogar in Sätzen zu antworten, statt Ein-Wort-Antworten zu geben. Das immerhin ist eigentlich doch etwas Besonderes und dankbar-machendes! Ansonsten dreht er sich munter selbst im Bett nachts. Manchmal hängt er auch halb am Bett-Galgen und hat die Füße über dem Seitenrand liegen, wenn Mama nachts das Licht anmacht! Aufgrund der langsamen Fortschritte in seiner Mobilität ist inzwischen der Deckenlift größtenteils nur noch "Dekoration". Die Transfers (das klingt immer so cool - als wäre man auf Reisen :-) - also das Fort-Bewegen vom Bett in den Rollstuhl oder den Duschstuhl, vom Rollstuhl auf die Toilette, vom Rollstuhl in den Rolli mit Elektro-Antrieb, vom Rollstuhl in den Sessel und all das wieder zurück - all, diese Transfers klappen inzwischen mit der Aufstehhilfe richtig gut. Dabei steht Toni auf der runden Dreh-Scheibe, hält sich am mittig angebrachten Griff. Mama kann mit einem Fuß ebenfalls auf der Dreh-Scheibe das Gegengewicht halten und ihn dann stehend drehen. Sieht spielend leicht aus. Zumindest, seit Toni das mit dem Stehen sicher und gut kann. Durch das häufige Trainieren des Stehen-Bleibens bei der Körperpflege, ist das mit der Zeit wirklich viel besser geworden! Er isst täglich sein Marmeladenbrot (oder zwei oder drei) zum Frühstück. Gern auch mal ein Stück Kuchen. Vorgestern gab er mir auf die Frage, was für einen Kuchen er denn gegessen habe, zur Antwort: Zwei Stückle! Die Nahrung (Sondenkost) wurde mittlerweile auch angepasst. Er hat mit der jetztigen (Banane-Milch) weniger Probleme. Er ist und bleibt halt "ein Süsser"! So viel - oder wenig - in der Kürze... <2016> Toni macht erstaunlicherweise immer noch weitere Fortschritte. Das habe ich persönlich in den letzten Monaten so gar nicht wirklich wahrgenommen. Manchmal überwiegen Sorgen wegen anderer Dinge und verhindern so das bewusste Wahrnehmen in Verbindung mit einem Vergleich zum bisherigen Stand der Fähigkeiten… Aber jetzt habe ich das wieder beobachtet. Seit vielen Tagen verzichten die beiden komplett zu jeder Tages- und Nachtzeit auf den Decken-Lifter. Jeglicher Transfer wird ausschließlich über die Beine bewältigt. Das klappt wohl immer besser und vor kurzem konnte ich mich auch mal selbst davon überzeugen. Ich muss es sehen, damit ich die positiven Veränderungen auch nachvollziehen kann. Dadurch dass Toni bei der Pflege, beim Duschen, bei jedem Toilettenbesuch, bei jedem Transfer und dann natürlich noch einfach beim Aufstehen nur um zu Stehen oder ein paar Schritte zu gehen das Hinstehen übt, hat er in der Rumpfmuskulatur langsam wieder etwas Kraft und so klappt das immer besser! Selbstverständlich ist da noch viel Raum für weitere Verbesserung, aber immerhin stagniert es nicht – wie von mir befürchtet. Es strengt ihn an und er kann mit Körperspannung nicht mehr als zweimal hintereinander am Rollator (mit Sitzmöglichkeit hinten - siehe Foto) von der einen Wohnzimmerseite zur anderen laufen. Meine Mutter arbeitet echt hart dran, dass er nicht gleich alles auf einmal möchte, sondern sich konzentriert, erstmal bewusst und mit Körperspannung steht, bevor er den ersten Schritt macht. Ohne die Spannung zu halten hängt er schief und lehnt sich mit seinem Gewicht komplett an oder auf sie. So macht das ja einfach keinen Sinn. Also muss er lernen, im Kopf die Teilschritte zu planen und nacheinander durchzuführen. Gerade nach einer „blöden“ (sprich unruhigen) Nacht in der sie oder er oder beide kaum Schlaf gefunden haben, ist dieses Geh-Training wirklich fordernd. Für ihn und noch vielmehr für sie. Sie machen das aber gut, manchmal muss er einfach kurz warten, bis sie ihre Energie und Kräfte mobilisiert hat… und auch das klappt immer besser. Inzwischen haben die beiden die Zusammenarbeit wirklich beeindruckend hinbekommen, ganz ohne von einer weiteren Person abhängig zu sein! Chapeau! <2016>
Bevor wir überhaupt mit dem richtigen „Ausflug vorbereiten“ anfangen können, haben wir die Chance zu wählen. Mit Auto? Oder zu Fuß mit dem E-Rolli? Für alle weiteren Strecken natürlich mit dem Auto. Aber brauchen wir am Zielort den E-Rolli oder bewegen wir uns dort nicht so weit fort? Dann also der leichte Rollstuhl mit dünnen Reifen! Toni kann entscheiden, ob er auf dem Beifahrersitz oder hinten im Rollstuhl sitzen möchte. Selbstverständlich ist das wetterabhängig. Im Winter geht das natürlich nicht. Da würde er zu leicht auskühlen. Bei starkem Regen oder bei angekündigten Regenfällen fällt die Option "Beifahrersitz" ebenfalls ins Wasser. Falls aber wetterbedingt nichts dagegen spricht, kann er es sich aussuchen. Je nachdem wird dann entschieden, welche Schuhe er anbekommt, wie er angezogen wird… Viel cooler ist es für meinen Auto-Fahren-Fan-Vater natürlich, wenn er vorn sitzt. Wenigstens auf dem Beifahrersitz, wenn wir ihn schon nicht selbst fahren lassen! Anfangs hing er da recht schief im Sitz. Aber inzwischen hat er eine bessere Rumpfmuskulatur, kann sich selbst ganz gut wieder geraderücken, wenn eine Kurve ihn mal aus dem Lot gebracht haben sollte. Aber dennoch wird er dort an der linken Körperseite durch Kissen gestützt. Sicherheitshalber. Das Einsteigen ist richtig super: Der Beifahrersitz dreht sich auf Knopfdruck um 90° aus dem Auto heraus. Dann fährt er sogar noch weiter raus und weiter runter. Mit dem Rollstuhl fahren wir parallel zum Auto heran, sodass sich die Sitzflächen an einer Ecke fast berühren. Vorher muss die Nahrungszuleitung abgestöpselt worden sein und er muss zuletzt Wasser bekommen haben (sonst trocknet die PEG ein). Toni zieht sich an Mamas Oberkörper hoch, in Trippelschritten dreht er sich dann rüber vor den Beifahrersitz und gemeinsam setzen sie ihn dort ab. Der Rollstuhl muss zur Seite, auf Knopfdruck fährt der Sitz zurück und dreht sich wieder ins Auto rein. Da ist dann der wichtige Moment, in dem auf die Füße geachtet werden muss. Die sollen ja auch mit rein ins Auto und das geht ohne unsere Hilfe noch nicht. Schließlich ist er drin, wird angeschnallt und links mit Kissen abgestützt. Meist werden noch die Beine wärmend verpackt und die Tür geschlossen. Der leere Rollstuhl wird hinten eingeladen, festgezurrt und der Rest des Gepäcks für die Fahrt verstaut. Sind wir angekommen, müssen wir höllisch aufpassen: Toni neigt dazu, sofort die Beifahrertür zu öffnen. Völlig egal, ob da von hinten ein Auto, Fahrrad oder Mensch kommt. Als wäre es ihm möglich, sich abzuschnallen und gleich raus zu hüpfen! Das ist eigentlich die einzige Situation, wo ich ihn ungeduldig erlebe. Beim Ankommen am Zielort – und vielleicht beim Essen ;-) Tja und dann kommt die ganze Prozedur wieder rückwärts dran, versteht sich. Aber obwohl das ein wenig aufwändiger ist, als ihn im Rollstuhl einzuladen, sind wir froh, ihm diese Variante anbieten zu können, weil er so gern Auto fährt, dabei immer aufmerksam schaut und es sichtlich genießt, vorne sitzen zu können. Die Zubettgehzeit variiert, es ist also nicht in Stein gemeißelt, wann Toni ins Bett gebracht wird. Meistens sagt er meiner Mama, wann er sich hinlegen möchte. Die Abendhygiene läuft folgendermaßen ab:
Im Bad wäscht er seine Hände, die Zähne werden gereinigt und er kann den Mund ausspülen. Das Schlafshirt wird ihm über den Kopf gezogen und die Arme steckt er selbst in die Ärmel. Mit dem Deckenlifter kommt er vom Rollstuhl ins Bett. Wahlweise, wenn er (und vor allem Mama) nicht zu müde ist, kann er vom Rollstuhl aus auch aufs Drehteller stehen und sich mit ihrer Hilfe auf dem Bett absetzen. Seitlich legt er sich dann hin und nimmt die Beine mit Unterstützung hoch aufs Bett. Inzwischen kann er bei der Lageveränderung im Bett aus eigenen Kräften gut mitmachen. Er hebt das Becken an, damit er ausgezogen werden kann. Seit neuestem kann er sogar das Becken anheben und weiter seitlich abgelegen! Das ist eine große Entlastung! Wenn er auf dem Rücken liegt, dann kann er sich größtenteils selbst auf eine Seite drehen, damit das Liftertuch oder Netz unter ihm hin- oder weggelegt werden kann. Zurück zur Mitte klappt auch. Das ist schon erstaunlich! Liegt er dann auf dem Rücken, streckt er sich oft genüsslich ganz lange aus. Meist möchte er noch eine Weile auf dem Rücken liegen bleiben. Die Temperatur und Sauerstoffsättigung wird gemessen. Wenn alles gut geht, ist die „Wasserleitung“ mit dem Urinbeutel noch eine Weile dran. Ansonsten platziert Mama die Urinflasche und schaut immer mal wieder ins Schlafzimmer rein. Sie fragt dann nach einer Weile leise, ob er auf die Seite liegen möchte und lagert ihn dann dementsprechend mit Kissen im Rücken und unter/zwischen den Knien und Füßen. Kann er lange nicht in den Schlaf finden, fragt Mama ihn, ob er seine „Schlaftröpfle“ nehmen möchte. Wenn ja, bekommt er diese und oft schläft er dann eine Weile ganz tief. Etwa 2x pro Nacht wacht Mama davon auf, dass sie ihn hört. Er räuspert sich, schluckt, hustet oder brummelt vor sich hin. Ich hoffe, er wacht davon auf, dass er merkt, wie er auf Toilette muss – das wäre für die Zukunft prima! Ist das dann erledigt, schläft er meist rasch wieder ein. Mama im besten Falle ebenfalls. Nachtrag: Seit ich das obige geschrieben habe, ist einige Zeit vergangen. In den letzten Wochen hat sich auch da eine Verbesserung gezeigt: Die Anzahl der nächtlichen Lagerungskissen ist deutlich zurückgegangen. Die Kissen an den Beinen hat er öfters weggestrampelt. Manchmal hat er sich auch aus eigener Kraft bereits komplett von der einen Seite zur anderen umgedreht. Das größte "Problem" (im Sinne von Kräfte zehrend, anstrengend und nervig) war und bleibt noch immer manchmal die nächtliche Flut. In manchen Nächten bleibt das Bett trocken. Meistens jedoch ist es etwas oder selten sogar komplett geflutet. Was auf sie zukommt, kann Mama meist schon riechen, bevor sie die Augen aufschlägt. Deshalb hat sie vor zwei Monaten den Tagesplan umgestellt und die Flüssigkeitsgabe so eingeteilt, dass er abends nicht mehr so viel Wasser bekommt. Ob dadurch oder sein wachsendes Bewusstsein auch für diese körperinternen Vorgänge - es scheint langsam besser zu werden. Ich hoffe sehr, das bewahrheitet sich und wird bald ganz gut! <<2014>>
Flexibel sein, sich an Neues anzupassen - das war sehr spannend und herausfordernd im März 2014. Nachfolgend wieder mal ein Blick zurück durch die Notizen von damals: Toni hat den „Ausflug“, den Arzt-Besuch, gut gemeistert. Er hat eine andere Art von Kanüle bekommen. Gefenstert, mit ebenfalls gefensterter Innenkanüle und Sprechventil. Er kann nun also wieder bzw. immer stimmhaft husten, schmecken und riechen. Scheinbar ist da was (Muskelzuckungen) im Kehlkopf, weshalb er voraussichtlich von dieser Kanüle dauerhaft nicht loskommt. Wie ich das finde, weiß ich nicht. Nach der Arbeit bin ich gleich hin und traf die Pflegekraft nicht mehr bei Mama und Toni an. Ich habe dann echt `ne Weile gebraucht, bis ich mich an die neue Optik und die Geräusche gewöhnt hatte. Toni entspannte sich nach einiger Zeit auch, hat eine gute Sauerstoffsättigung und einen ruhigen Puls gehabt. Nachdem Mama sich dann in einem Kabel verheddert & auf den Boden gelegt hat, blieb ich nicht mehr so lang. Drei Tage später: Es ist seit Freitag so viel anders bei Toni. Die Geräusche beim Atmen. Beim Schlucken mal was wie „Njamnjamnjam“. Das Husten – für mich ist das noch unklar, was das „normale Brummeln“ ist und wann er abgesaugt werden muss. Ich fragte Toni, ob er sich schon selbst an die andere Kanüle gewöhnt hat. Nein, meinte er kopfschüttelnd. Aber sonst hat sich enorm viel verändert: Er dreht und hebt den Kopf viel mehr und besser. Er hat viele Muskelzuckungen in den Beinen, als wolle er die Stützen des Rollstuhls mit den Füßen umbiegen. Eines Abends bauten wir sogar den „Helparm“ auf und da machte er mit und hat sich danach im Rollstuhl vom Rumpf her bewegt. Ich war gestern extrem angespannt. Ich bin das noch überhaupt nicht gewöhnt und erschrecke bei jedem Ton und jeder plötzlich von ihm ausgeführten Bewegung. Am Freitag hustete Toni beim Ins-Bett-Bringen sehr viel und auf einmal schießt er Mama beim Husten Sekret und das Ventil um die Ohren! Nachts hatte er erbrochen. Ich blieb von 10.45 bis 16.30. Wir haben viel gelacht. Toni hat imitiert, wie ich mit den Schultern zucke und auch eine Hasen-Wackel-Schnute nachgemacht! Voll cool! Und schließlich 16.04.2014: Toni macht große Fortschritte. Die Nächte sind in letzter Zeit meist gut. Er kann gut abhusten und hat dann auch mal für `ne Zeit seine Ruhe. Der verbesserte Schlaf führt auch dazu, dass er mehr kommuniziert, wenn er wach ist. Er lacht mit, winkt, macht Grimassen nach. Die rechte Hand kann so viel! Den Kopf hält er häufig selbst. Gestern hat er so ein Rhythmus-Ei in die Finger genommen und geschüttelt. Heute wieder, mehrmals auf Aufforderung. Das mit dem Stehtrainer freut ihn mega! Da hatte er einen ganz tollen Gesichtsausdruck, selbst wenn er das noch nicht lange kann und vom Oberkörper her nicht ganz aufgerichtet ist! Ich bin froh, dass er offenbar so entspannt ist, wenn ich da bin. Er ist dann relaxter beim Baden oder auch sonst! Mama ist das aufgefallen. Heut haben wir zusammen Zeitung gelesen. Er hält dann mit er rechten Hand einen Teil. Wenn er noch was hören oder schauen will, hält er fest, sonst bedeutet er mit der Hand ein Umblättern an. Da ist er ganz interessiert! Vor zwei Jahren also gewöhnte ich mich langsam daran, dass die Wachkoma-Stille und Reglosigkeit vorbei ist. Ich kann mich aber noch gut erinnern, wie alarmiert ich bei jedem ungewöhnlichen Geräusch war. Und das obwohl ich doch so auf Fortschritte und Verbesserung gehofft hatte. Sich an veränderte Umstände zu gewöhnen dauert eben eine Zeit. <<Ostern 2013 (März/April)
Einige Notizen - drei Jahre ist das nun her: Mama hat in der Nähe der Phase F-Rehaklinik eine Unterkunft bekommen (Ferienwohnung) und ist fast den ganzen Tag bei ihm. Sie begleitet die Therapien und berichtet mir abends über Skype oder Telefon von dem Tag. Toni wird stundenweise entblockt, um das Schlucken und Husten zu üben. Das ist anstrengend für ihn. Er kann noch nicht lange im Rollstuhl sitzen. Nicht jeden Tag, nur ein paar Stunden. „Mobilisation“ nennt sich das dann und ist körperlich einfach auch sehr anstrengend. Offiziell wird sein Zustand als Apallisches Syndrom bezeichnet. An den Wochenenden und Feiertagen fahre ich zu Toni & Mama in die Rehaklinik. Dort angekommen setze ich mich oft zu ihm aufs Fußende des Bettes. Im März hat er einmal den Kopf zu mir gedreht und ich sagte daher „Hallo“ zu ihm. Da bewegte er die Lippen als würde er ebenfalls Hallo sagen. Das war so überraschend und ich war erst völlig perplex. Danach aber mussten wir aus ganzem Herzen lachen. Ich meine er hätte noch lange geschmunzelt darüber, uns so zum Lachen gebracht zu haben. Meist erzählen wir ihm, was es Neues gibt. Vom neuen Autokauf berichten wir. Und sind erstaunt, wenn er am Tag darauf noch davon weiß. Er ist konzentriert dabei, seinen Körper wieder zurückzuerobern. Alles andere ist ihm eher unangenehm. Er möchte also in seinen wachen Phasen keine Musik hören oder so. Er hebt das Becken leicht an, wenn man seine Beine aufstellt und festhält. Er drückt und entspannt die Fäuste, bewegt die Zunge… all das. Die Therapien sind das Wichtigste jetzt. Häufig scheint er zu schnell zu viel Nahrung zugeführt bekommen zu haben. Da muss er dann brechen. Das bedeutet leider auch, dass Therapien nicht so durchgeführt werden können, wie geplant. Ich bin der Meinung, er ist sich im Klaren über seinen Zustand und dass er viel erneut lernen muss. Darüber ist er (toni-typisch) nicht verzweifelt, sondern geht das an und übt. Seine ganze Kommunikation besteht (hin und wieder) aus minimaler Mimik und darin, die Hand zu drücken, wenn man seine hält. Das ist schon viel für uns. Als ich einmal etwas sagte, lächelte er sehr breit. Ein so weites Lächeln, dass sich sogar Lachfältchen an seinen Augen bildeten! Inzwischen ist das Annehmen einfacher geworden. Das mit Toni ist so, wie es ist. In Situationen, in denen ich ihn schmerzlich vermisse, versuche ich wie er zu sein. Mama sagte schon mehrmals „Toni“ zu mir. Konflikte lösen sich für mich in der Wahrheit, dass ich nicht mehr sein kann, als ich bin. In der Situation mit Toni und für Mama ist das gut genug! Schlechte oder „keinen guten Tag“-Tage gibt es natürlich auch im April 2013: Heute am Vormittag war er total fertig. Er sah verloren und gestresst aus. Wir haben versucht ihn wieder zurück und zu sich zu bringen. Bei einer Fuß- und Stirnmassage hat er sich langsam entspannt. Am Nachmittag war er entblockt und hat gut abgehustet und häufig gut geschluckt. So langsam will ich nicht mehr lange warten, bis Toni in der neuen Wohnung angekommen ist. Oder wie ich das im März 2013 geschrieben habe: Ich muss immer warten. Ich warte. Darauf dass wir umziehen können. Dass Mama Zeit zum Reden hat. Dass Toni Fortschritte macht. Dass ich aufhören kann zu warten. <<2014
So ein Schlucktraining ist ziemlich komplex. Irgendwann 2014 erzählte mir Mama, dass Toni von seiner Logopädin Gesichtsgymnastik aufgetragen wurde. Vermutlich zum Muskeln reaktivieren, aufwecken, gezielt benutzen. Wie und warum auch immer: es ist eine ideale Gelegenheit für mich, mit Toni Blödsinn zu machen! Ich bringe mich auf Höhe seines Gesichtes, ziehe die Augenbrauen hoch und er macht es nach. Dann wird die Nase gerümpft oder gekräuselt – erst ich, dann er. Breites Grinsen, Augenbrauen zusammenschieben und dadurch ganz finster und böse wirken, Zunge rausstrecken… Immer mal wieder machen wir das. Manchmal schaut er einfach rüber, nimmt genau wahr, was wir in dem Moment tun. Fange ich da seinen Blick auf, ist er „voll da“. Ich zieh eine Grimasse und er grinst. Manchmal ist das während Mama und ich essen. Und ja, manchmal habe ich dann so „pantomiert“ als wäre das Essen überhaupt nicht lecker – natürlich nur, wenn Mama gerade nicht im Raum war! Vielleicht auch nur bei den Speisen, die er immer so gern mochte. Es ist schon gemein, da zu sitzen und Pfannkuchen zu essen (oder sonstigen Kuchen) und dabei von ihm beobachtet zu werden, der in dem Moment keinen Kuchen essen darf/kann! Immer wenn ich vorgebe, es wäre nicht lecker und mir wäre übel vom Essen, lachte er. Anfangs nur so ein ganz leises Schnauben und ein breites Grinsen. Nicht selten floss dabei der viele Speichel über. Eine gute Gelegenheit zur Übung für ihn, sich den Mund mit einem Tuch abzuwischen. Wenn er nicht damit rechnet, lacht er auch über eine plötzlich rausgestreckte Zunge. Nach ein bisschen gutem Zureden, streckt er dann die Zunge auch so langsam raus. Wann immer möglich nutze ich seine Wachheit für Unfug und nicht lange, da macht er das auf Zuruf: „Naserümpf“ „böse Augenbraue“ „Grins“ „Augenbraue hoch“ Für mich ist das total cool, ich lache jedes Mal und freue mich riesig darüber, dass er entweder meinen Gesichtsausdruck sehen und imitieren kann oder genau verstanden hat, was ich sage und er das so schnell umsetzen kann. Da er 2014 nicht deutlich sprechen kann, ist diese Reaktionsfähigkeit ein ziemlich gutes Beispiel dafür, dass er trotz Schädel-Hirn-Trauma NICHT extrem matschbirnig ist. Oft bespreche ich dann mit ihm, den "Trick" später auch Mama vorzuführen, wenn sie dann wieder zurück in den Raum kommt. Manchmal klappt das, manchmal nicht. Es kommt auf die Dauer des Einübens/Erarbeitens und der anschließenden Wartezeit an. Je nachdem wie anstrengend das war, schläft er beim Warten ein. Dabei ist ein Nickerchen nach einer Aktiv-Phase durchaus wichtig. So wird das Gelernte im Gehirn gespeichert. Ich kann mich noch genau erinnern, wie im Herbst zum ersten Mal ziemlich viele Familien-mitglieder bei uns zu Besuch waren – zum Teil auch Toni seit dem Unfall das erste Mal wiedersahen. Da war das ganze Wohnzimmer voll und er grinste breit. Da rief ich ihm das Kommando „böse Augenbraue“ zu und er demonstrierte vor versammelter Mannschaft seine Macht über die eigenen Augenbrauen. :-) Abschließend möchte ich dazu noch sagen, dass ich da lange „naserümpf“ rufen kann und nichts passiert, wenn er keine Lust dazu hat. Es klingt nur ein wenig nach „abrichten“ – ist vielmehr ein gemeinsames Training. Solange er sich ab und zu auf dieses Niveau einlassen kann, über blöde Grimassen oder Witze schmunzelt und selbst Grimassen zieht, ist mit dem Shunt (Hirndruck) alles in Ordnung! Gerade an eher müden Tagen käme bei andauernder Dumpfheit sonst bei uns Sorge auf. <2015>
Der Tag von Mama & Toni beginnt ruhig und es kann auf ihn eingegangen werden, sofern nicht gleich früh am Vormittag eine Therapiestunde angesetzt ist. So kann er entscheiden, wann er aufstehen möchte. Pflege am Morgen Zweimal in der Woche ist Dusch-Tag. An den anderen fünf Tagen ist die Morgenhygiene zweigeteilt: Im Bett wird seine untere Körperhälfte gewaschen und angezogen. Dabei kann er aktiv mitmachen. Noch im Bett wird die PEG gepflegt und das Pflaster zur Befestigung frisch geklebt. Anschließend folgt der Transfer in den Rollstuhl. Dazu rollt er sich auf eine Seite, das Liftertuch wird unter ihn gelegt, er rollt auf die andere Seite und wenn es richtig ausgebreitet ist, wieder auf den Rücken. Mit dem Deckenlifter, dessen Tasten (auf/ab) er selbst bedient, setzt ihn Mama in den Rollstuhl und fährt Toni im Bad ans Waschbecken. Dort wird das Schlafshirt ausgezogen und Toni wäscht sich seine Hände über dem Wasch-becken. Weil er nicht entspannt nach vorn gelehnt unter den Wasserhahn kommt, haben wir eine Handbrause installiert. So kann er die Seife unangestrengt abspülen. Das Händewaschen macht er genauso ausführlich wie vor dem Unfall und dabei ist auch die linke, noch etwas bewegungsgehemmte Hand aktiv. Nach dem gewissenhaften Abtrocknen jeder Hand und zwischen allen Fingern geht es weiter: Mit einem Waschlappen wäscht er sich das Gesicht. Von ganz links bis ganz rechts, von oben bis unten. Das dauert zwar eine Weile, aber er scheint es richtig zu genießen, sich selbst so waschen zu können. Zweieinhalb Jahre lang fuhr täglich jemand mit einem Waschlappen durch sein Gesicht. Das hat er sich vor ein paar Monaten wieder zurückerobert! Er wäscht sich unter den Armen und trocknet sich ab. Dann reicht ihm Mama den Deostick, den er in eine Hand nimmt und den Deckel mit der anderen aufschraubt. Er deodoriert sich selbst, wechselt die Hände (meist muss man der linken Hand bei der Achsel rechts etwas helfen, damit auch überall was hinkommt) und schraubt den Deckel wieder drauf. Die Haare bürstet Toni sich ebenfalls selbst und seelenruhig. Sobald er damit fertig ist, kümmert sich Mama um die Tracheostoma Pflege. Auswechseln der Schlitzkompressen und dazwischen die Haut um den Patzhalter herum mit Stomaöl pflegen. Es folgt das Anziehen von Unterhemd und Oberteil und er kann ins Wohnzimmer gefahren werden. Vom Beginn der aktivierenden Pflege im Bett bis jetzt sind dann etwa 45 – 60 Minuten vergangen. Frühstück Dort am Esstisch sitzt er so zwischen halb zehn und elf (je nach Therapie) und isst sein Frühstück. Manchmal fragt er „Wo bleibt mein Kaba?“ oder er möchte Kaffee – total untypisch für ihn. Vor dem Unfall mochte er nie Kaffee. Getränke werden angedickt, mit dem Teelöffel gereicht oder er trinkt mit einem Trinkhalm. Mal mehr, mal weniger. Er stellt das Geschirr weg, wenn er nicht mehr essen möchte. Dabei hustet er manchmal und soll danach sprechen, damit die Stimmlippen wieder frei sind. Gestaltung des Tages / Aktivitäten Oft folgt nach dem Frühstück eine Ruhephase vor der nächsten Therapie oder Aktiv-Phase. Wird er wieder wach, bieten wir ihm Verschiedenes an und er wählt je nach Lust und Laune davon etwas aus. Mögliche Aktivitäten sind Spaziergänge in die Stadt mit dem E-Rolli oder zum Einkaufen in den Supermarkt. Zu Hause blättert er Kataloge und Prospekte durch, liest Zeitung oder eingetroffene Post. Wir machen Spiele mit ihm
Außerdem trainieren wir mehrmals täglich sein Gedächtnis – stellen Kopfrechenaufgaben oder versuchen das Alphabet mit Tieren, Städten, Ländern, Namen oder Nahrungsmitteln gemeinsam mit ihm aufzusagen. Aus den ihm angebotenen Aktivitäten wählt er frei. Manchmal wird durch eine Äußerung (z.B.: „Ich brauche meinen Führerschein“) von ihm deutlich, dass er nicht ganz in unserer Gegenwart ist. Geduldig führt Mama ihn dann durch seine Vergangenheit, er beantwortet Fragen zu seinem Alter, der Arbeitsstelle, dem Wohnort. Sie erklärt ihm dann, dass er einen Unfall hatte und derzeit im Rollstuhl sitzt, wir ein neues Auto haben und in einem anderen Ort wohnen, weil eine barrierefreie Wohnung unerlässlich ist. Welche Verletzungen er hat, kann er sagen und auch, warum es dazu kam. Auf die Frage, ob das Leben so – ohne Arbeit und mit Pflege zu Hause – schlimm für ihn ist, antwortet er kopfschüttelnd mit „Nein“. Wenn er eine gute Nacht hatte, ist er in seinen Aktiv-Phasen durchaus sehr ausdauernd. Meist folgt danach eine „verarbeitende Ruhepause“, wenn er mag auch im Wohnzimmer in der Lagerungsinsel liegend. Wir bieten auch immer wieder an, Physio-Übungen zu machen oder aufzustehen. Von uns beiden gestützt oder am Geh-Wagen durch den Flur bis in die Küche zu gehen. Einzig beim Gehen ist er ungeduldig und unzufrieden über die noch geringe Muskelkraft in den Beinen. Deshalb wird er einmal am Tag zum Fahrradfahren ans „Motomed“ gesetzt. Da kann er selbst treten, inzwischen auch schon mit höherer Belastungsstufe, um die Beinmuskulatur zu stärken. Danach kommen die Arme dran. Den linken Arm kann er nicht ganz strecken und hält ihn meist sehr nah und stark angewinkelt am Körper. Beim Kurbeln kann er sich auch mit dem linken Arm auf die Bewegung einlassen und meist auch den Kopf schön aufrecht halten. Erneut folgt dann eine kurze Ruhephase. Insbesondere beim Gehen oder Stehen ist Toni seine Zufriedenheit über das erreichte Ziel anzusehen. Tonis eigen-motivierte Aktiv-Phasen Inzwischen kann er selbst sagen, was er tun möchte. Manchmal fragt er nach einem Stift und Papier und versucht lesbar zu schreiben. Oder er fragt nach einem Schraubenzieher und dreht dann ca. 30 Minuten lang Schrauben irgendwo raus/rein. Er holt sich auch immer mal wieder ein Fotoalbum und blättert durch die Vergangenheit. Dabei spricht Mama mit ihm darüber. Sie fragt immer wieder nach, wer zu sehen ist oder was für eine Begebenheit das war. Er erinnert sich meist daran oder hört aufmerksam zu, wenn sie davon erzählt. Manchmal bewegt er auch seinen Rollstuhl unaufgefordert selbst durch den Raum, um das Radio einzuschalten. Einmal am Tag (mindestens) legt er die Kissen unter seinen Armen beiseite und zieht die Decke von seinen Beinen weg. Das Rascheln der Kissen hören wir immer – nicht selten gerade dann, wenn man selbst sich eben erst für einen Moment hingelegt hat ;-)! Auf die Frage „Was möchtest Du?“ kommt prompt „Ich geh jetzt aufs Klo!“. Ihn umzusetzen vom Rollstuhl auf das WC ist aufwändig und anstrengend. Vor allem, wenn es dann (wie derzeit noch) einfach nicht mit dem gewünschten Ergebnis endet. Aber wir fahren ihn hin, er hebt das Bein mit dem Beutel hoch und wir leeren direkt diesen in die Toilette. Mit der Fernbedienung für dieses Spezial-WC kann Toni dann selbst spülen. Ein Kompromiss – solange bis die Rumpfstabilität besser und die Fähigkeit zu spüren und noch zu halten, bzw. im richtigen Moment zu lassen - mehr trainiert werden konnte. <2015>
In den letzten Tagen ist mir deutlich aufgefallen, wie besonders die Fortschritte sind, die Toni macht. Seine Stimme ist lauter als bisher. Ich muss nicht mehr ständig nachfragen, was er meint, wenn er so klar und gut hörbar spricht. Heute Morgen rief ich kurz an, da lag er noch gemütlich faul im Bett. Mama läuft also mit dem Telefon und mir auf Lautsprecher ins Schlafzimmer: „Guten Morgen, Toni!“ „Guten Morgen, Karin!“ „Wie geht’s Dir?“ „Danke, gut.“ „War die Nacht okay?“ „Ja.“ „Willst du dann jetzt aufstehen oder bleibst du noch liegen und ruhst dich aus?“ „Ich ruh mich aus!“ „Alles klar, dann bis später!“ „Ja, tschüß.“ Manchmal weiß er nicht, wer gerade am Telefon ist. Er erkennt nicht immer die Stimme. Auch nicht immer, wenn man gerade vor ihm steht. Vielleicht ist er in dem Moment in Gedanken ganz woanders - z.B. in der Vergangenheit. Dann deutet er auf mich und sagt im Brustton der Überzeugung „Das ist (Name seiner jüngeren Schwester)!". Naja, aber meistens – so wie heute – ist er ganz da und folgt dem Geschehen und den Gesprächen aufmerksam. Vor ein paar Tagen hob er den Zeigefinger, winkte Mama heran und bat sie mit folgenden Worten: „Wenn du Zeit hättest, tätest du mich dann ins Bett?“ (mir sind Schwaben, darum ist tätest also eigentlich „dädescht“ ein normalgebräuchlicher Begriff) Wir waren völlig überrascht und erfreut über diese rücksichtsvolle Formulierung. Früher legte er entweder die Handflächen (pantomimisch quasi ein Kissen) aneinander und führte dann beide Hände an seine Wange. Etwas später dann sagte er einfach „Ich geh jetzt ins Bett!“ oder „Ich will ins Bett!“ Also durchaus eine Veränderung, eine rührende und erstaunliche, wie ich finde. :-) Ähnlich erstaunlich war vor ein paar Tagen: Zeigerfinger, Mama herwinken, als sie kurz vorbeikam und fragen: „Was ist das für ein Geräusch?“ „Die Dunstabzugshaube in der Küche. Ich koche gerade.“ Aha, Nicken. Finger runter. Kurz darauf wieder von vorn: Zeigefinger, heranwinken und fragen: „Was kochst du gerade in der Küche für Karin?“ Er nimmt Anteil, bekommt viel mehr mit, ist meistens da und ganz oft lacht er über Situationskomik, den neuen Asterix-Comic (der er völlig vertieft verschlang), blöde Grimassen - er lacht! Wie schön - ich bin sehr dankbar darüber! |
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August 2020
AutorIn den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Unfall fast immer mit dabei |