<<2013
In vielen Einrichtungen können Angehörige bei der Pflege mithelfen. Manche Pflegekräfte erklären Mama gern und viel. Vor allem, nachdem sie erfahren haben, dass sie ihn nach Hause nehmen möchte und in Zukunft selbst pflegen wird. In zwei Reha-Kliniken nimmt sie an einem sogenannten Pflegetag teil. Dazwischen liegen etwa 4 Monate und schon einige Veränderungen bei Toni. Bei dem ersten Pflegetag steht die Deckelung noch bevor. Zu der Zeit liegt er im Koma, komplett ohne Bewusstsein. Sie lernt dort, ihn zu lagern, erfährt über die Nahrungs- und Medikamenten-Zufuhr vieles. Außerdem natürlich über die Pflege des Tracheostomas und der Trachealkanüle. Er hatte auch noch eine Pfählungsverletzung erlitten. Diese Wunde muss auch versorgt werden. Diese Verletzung war (wie auch die zwei oder drei gebrochenen Wirbel) verglichen mit dem Schädel-Hirn-Trauma und den Operationen nicht lebensbedrohlich und uns in den ersten Tagen nach dem Unfall gar nicht bewusst gewesen. Mir zumindest nicht. Monate später, nach der erfolgreichen Deckelung und der Verlegung in eine Rehaklinik am Bodensee, nimmt Mama auch dort gleich zu Beginn an einem Pflegetag teil. Zu der Zeit wird er langsam wacher und Mama kann täglich viele Stunden bei ihm sein. Sie hat sich dort in einer Ferienwohnung einquartiert und die stundenlangen Fahrtzeiten (je 6 Stunden täglich) fallen weg. Mama hat sich dort auf ihre Aufgabe als pflegende Angehörige vorbereitet, so viel wie möglich aufgenommen und gelernt. Und sie hat auch viel selbst mitgemacht bei ihm. Die Pflegekräfte unterstützt und zum Teil das abgenommen, was ihr gezeigt worden war. Verwirrend wird es, wenn das Gelernte und Abgeschaute dann aber nicht von allen anderen Pflegern ebenso gemacht wird. Das verunsichert total! Viel Sorge macht uns, dass er häufig sehr viel Luft im Bauch hat und sich erbricht. Das ist ein täglicher Kampf - mit der eigenen Sorge, dem Glauben, dass es verhindert werden kann und der Hoffnung, alle Beteiligten nehmen die Sorge ernst und helfen mit, um das zu verhindern. Vor allem, weil die Aspirationsgefahr so groß ist. Es geht also nicht nur darum, dass es nicht schön ist (weder für ihn, noch für die Pflegekräfte oder für uns) – nein, es ist jedes Mal ein Risiko und jedes Mal wächst die Angst, dass eine Lungenentzündung die böse Folge sein könnte. Manchmal habe ich Glück und kann am Wochenende und in den Ferien während eines Besuch in der Klinik bei den Therapien anwesend sein. Mama ist immer dabei und hat schon von den Fortschritten berichtet. An einem Tag komme ich an und Toni wird gerade für die Ergotherapie aufrechter ins Bett gesetzt. Zu der Zeit ist er praktisch ein „Sack Kartoffeln“: keine Stabilität im Körper und keine Bewegung aus eigener Kraft. Kaum soll die Therapie losgehen, muss er sich übergeben. Ich werde angewiesen, hinter ihn ins Bett zu klettern und ihn unter den Achseln zu stützen, sodass möglichst alles ganz raus aus dem Körper kann. Das war echt viel für mich! Es ist schwer, ihn zu halten. Er hört auch nicht so schnell wieder auf. Grundsätzlich bin ich eher zimperlich. Ich mag Blut nicht so gerne sehen, offene Wunden auch nicht und bei so viel kaum verdauter Sondenkost bin ich ziemlich am Kämpfen. Diese Sondenkost riecht ja schon frisch aus der Flasche nicht besonders… Aber genug der Unappetitlichkeit für heute! (Mama hat schon damals ganz gut dokumentiert und jeden Tag schriftlich festgehalten. Deshalb fällt es mir nicht schwer, mich wieder dorthin zurück zu versetzen. Aber es ist anstrengend und kostet Energie. Irgendwie kann ich gar nicht glauben, wie viel da eigentlich alles „dumm gelaufen“ ist und dass wir jetzt so zufrieden sein können.) Kommentare sind geschlossen.
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August 2020
AutorIn den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Unfall fast immer mit dabei |