<2015>
Was zu "Tracheostoma" alles gesagt werden sollte, ist ziemlich komplex. Nähern wir uns dem Thema also in kleinen Schritten und kompakten Abschnitten. Heute: Der Zustand jetzt: Derzeit ist sein chirurgisch angelegtes Tracheostoma mit einem Platzhalter verschlossen. Dieser hält den Zugang zur Luftröhre noch offen, was im Bedarfsfall ein Absaugen ermöglicht. Das ist dann nötig, wenn er Sekret oder Speichel nicht selbst oder richtig abhusten kann. Vor einigen Tagen war das tatsächlich mal wieder soweit. Eine ganz lange Phase benötigte er diese Unterstützung nicht mehr. Das ging schon so lange, dass Mama sogar das Gerät eingepackt und verstaut hat, weil es nur rumstand und einstaubte. Im Unterschied zu Trachealkanülen dringt ein Platzhalter nur ganz gering in die Luftröhre (Trachea) ein. Der Übergang wird mit einem vorgeformten Rand, der sich von innen an die Luftröhre schmiegt fixiert. So kann nichts abrutschen. Ein Fixierungsband außen um den Nacken ist nicht mehr notwendig. Außen steht der Platzhalter etwas hervor, allerdings nicht mehr so weit wie früher die Kanüle samt Aufsatz (Sprechventil oder feuchte Nase). Diesen Platzhalter hat Toni bekommen, weil er die Kost meist zuverlässig gut (=richtig) geschluckt hat. Falls doch mal was „in den falschen Hals“ kam, hat er es immer hochgehustet. Inzwischen spürt er es sehr schnell, wenn da was schiefläuft. Fakt Nr. 1: Die Basis ist der kräftige und zuverlässige Hustenstoß! Mit dem Platzhalter atmet er dauernd über die oberen Atemwege, also Mund/Nase, kann sprechen, je nach Tagesform zusätzlich zur Sondenkost auch zum Genuss essen. Er isst breiige Konsistenzen (Pudding & Apfelmus, Kartoffelbrei mit Spinat und Eigelb, Hefezopf in Kaba getunkt, Marmeladenbrot ohne Rand). Seit er vor einem Jahr seine Zähne bekommen hat, ist vieles leichter geworden. Zu schlucken fällt leichter, wenn die Zunge innen an die Zähne anstoßen kann. Im Übrigen ist das Sprechen damit auch einfacher und er ist besser verständlich. (Ganz zu schweigen vom ästhetischen Eindruck!) Tonis Schluckreflex ist ja gestört, deshalb muss er durch das mühsame Schlucktraining hindurch. Dabei hilft natürlich, wenn er auch kauen kann. Vor allem aber muss er sich konzentrieren, wahrnehmen wo im Mund die Nahrung ist und dann bewusst schlucken, wodurch auch der Atem kurz unterbrochen wird. Am besten wenn er den Blick auf seine Knie richtet. Für die selbständige Nahrungsaufnahme gibt es bei uns feste Regeln: Klare Aufgaben für Toni und keine Ablenkung unsererseits während er isst! Das hat sich Toni dank vieler Therapie-Stunden und Mamas aufopferungsvoller Pflege bisher erarbeitet. Er frühstückt täglich. Manchmal stellt ihm Mama ein Glöckcken daneben und räumt währenddessen irgendwas auf. Wenn er sie braucht oder fertig ist, klingelt er einfach. Selbstverständlich zieht er sich greifbare Teller zu sich her und beginnt zu essen, wenn er das möchte. Ganz egal, ob das Teller auf einem Restauranttisch oder bei Familie/Freunden im Wohnzimmer vor ihm steht. Völlig egal, ob da Familie oder Fremde hinschauen - er genießt die Erdbeertörtchen oder Maultaschen mit Kartoffelsalat! Diese Selbstverständlichkeit ist beeindruckend - vor allem, weil wir davor über so lange Zeit beim gemeinsamen Essen spürten, dass er davon ausgeschlossen ist. Ein Mensch mit Tracheostoma fühlt sich in sehr vielen Situationen ausgegrenzt. Ich freue mich für Toni, dass er sich langsam davon freimachen kann! Kommentare sind geschlossen.
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August 2020
AutorIn den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Unfall fast immer mit dabei |