<<2012/2013
Ob der Umgang mit mir in der Zeit direkt nach dem Unfall leicht war? Vermutlich nicht. Ich weiß noch, dass ich wahrscheinlich anders reagierte, als erwartet wurde. Wobei ich noch nirgendwo einen Verhaltens-Leitfaden für Trauma-Angehörige gesehen habe. So meide ich im Jahr 2013 viele Situationen, weil ich mich dem einfach nicht gewachsen fühle. Bei der Arbeit geht das natürlich nicht. Je nach Grad der Sensibilität, fragen mich da manche Personen auch hin und wieder wie es mir geht. Statt einfach zu sagen, „es geht!“ oder „Gut!“ oder sonst eine schnell abfertigende Antwort zu geben, sage ich, wie es ist. Nicht selten dabei kurz mit den Tränen kämpfend. Im Grunde völlig unsensibel, aber ich kann da einfach nicht anders. Meist höre ich mir dabei selbst zu, sag mir innerlich „Hör doch auf!“ und rede trotzdem immer weiter! Vielleicht muss das einfach raus? Vielleicht möchte ich klarstellen, dass mein „Urlaub“ nicht so sein wird oder gewesen ist, wie das angenommen wird? Einige Menschen habe ich damit bestimmt ziemlich überrumpelt und geschockt. Es war ihnen anzusehen, dass sie damit jetzt nicht gerechnet hatten. Im Grunde vermutlich auch nicht mal darauf eingestellt waren, wirklich zuzuhören. Manche Gespräche treiben ja einfach so dahin, die üblichen Erwiderungen sind SmalltalkProfis in Fleisch und Blut übergegangen. Da war ich noch nie richtig gut drin. Tja, nur eine unbedachte Frage und ich rede mindestens 4 Minuten lang von Unfall, Wachkoma, schwer-pflegebedürftig, Unterstützung der Eltern, etc… Die wenigsten wissen dazu etwas zu sagen. Und gerade Ende 2012 bis etwa März 2013 haben Worte auch gar nicht geholfen! Am besten zu ertragen waren eigentlich noch „Viel Kraft!“-Wünsche. Hätte ich mir wohl besser ein Schild um den Hals gehängt mit einer Warnung drauf: WRACK BEI DER ARBEIT – FRAGEN PERSÖNLICHER NATUR AUF EIGENE GEFAHR Manche, die ich damals mit meiner Verzweiflung so geschockt hatte, dass sie jeglichen näheren Kontakt vermieden haben, konnte ich inzwischen über die Fortschritte und die positiven Entwicklungen ins Bild setzen. In 2015 selbst auf der anderen Seite eines „Schicksals-Berichts“ zu stehen und mein Beileid ausdrücken zu versuchen, hat mir gezeigt, wie hilflos und sprachlos man dabei ist. Im Geist höre ich mich dann mit unpassenden Gedanken jonglieren. Wie z.B. „Wird schon wieder!“ oder „Wenigstens kein langes Leiden!“. Verzweiflung kann man nicht schönreden. Aus meiner eigenen Erfahrung habe ich nur gelernt, dass es besser sein mag, manchmal einfach nur zuzuhören. Verstehen zu wollen und zu hören. So schwer das auch ist. Nicht viel sagen, nur zum Abschied „Viel Kraft!“ Kommentare sind geschlossen.
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August 2020
AutorIn den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Unfall fast immer mit dabei |