2016
In Kürze feiern meine Eltern Hochzeitstag. Schon seltsam, jetzt den Unterschied zu sehen im Vergleich zu früher. Da waren die beiden partnerschaftlich verbunden. Das geht bei Gesprächen los und endet bei weitem nicht mit dem Umsetzen gemeinsam geplanter Ideen. Es war so leicht vor dem Unfall. Was immer gerade war, auf Toni konnte man sich verlassen. Er hat es unaufgeregt geregelt, gelöst, repariert, erledigt. Jetzt ist sie allein mit allem. Sogar schon ein Zehntel dieser langen Ehe-Zeit erlebt Mama nun schon ohne Toni als Partner auf Augenhöhe. Ich versuche schon, abzufangen, soviel mir möglich ist. Aber ihn zu ersetzen schafft einfach keiner. Wenn was mit dem Auto nicht stimmt oder ein Schrank sich gegen das Abbauen wehrt oder die ganzen super-tollen technischen Geräte nicht so funktionieren wie sie sollen – dann fehlt der Toni von früher. Auch mir fehlt Toni manchmal als Gesprächspartner. Dass ich ihm von etwas erzählen kann und seine Meinung dazu höre. Seine Unterstützung spüre oder wenigstens das Mittragen. Das kann er derzeit leider nicht. (Noch nicht? Hoffentlich!) Gespräche mit ihm laufen immer noch so, dass wir viel davon abnehmen. Wir erläutern die Situation, geben sämtliche Antwort-Möglichkeiten vor und er entscheidet sich dann für eine Antwort. Früher hat er darauf eben mit den Augen oder dem Kopf Ja / Nein oder ein Schulterzucken als Antwort gegeben. Selten geht ein „Gespräch“ von ihm aus. Neulich fragte er sie: „Gehst du heute noch einkaufen?“ oder er sagt: „Gesundheit!“ wenn sie niest oder „Gute Nacht!“ falls er noch wach ist, wenn sie sich schlafen legt. Aber das sind ganz seltene, besondere Momente – deswegen erinnern wir uns da so gut dran. Mir wollte lange nicht in den Kopf, dass er vieles einfach nicht mehr weiß, nachdem ein paar Stunden vergangen sind. An die Erlebnisse vom Vortag erinnert er sich nicht. Das waren in all der Zeit vielleicht 4 Begebenheiten, wo er es noch wusste und uns damit verblüffte. Meistens weiß er mittags nicht mal mehr, was er zum Frühstück gegessen hat – das frag ich ihn täglich. Und – wie schon einmal gesagt – manchmal erkennt er mich nicht. Da gibt er mir die Hand, spricht mich mit irgendeinem Namen an. Nach einer Weile döst er weg und schläft. Gestern wachte er dann aus dem Nickerchen auf und hat mich interessiert beobachtet und wusste wieder, wer ich bin. Toni ist quasi teilzeit-abwesend. So ganz erkenne ich das nicht immer. Mama schon. Vielleicht will ich das auch nicht wahrhaben, dass er in dem Moment, in dem ich ihm was Erzählen oder ihn zum Lachen bringen will, einfach nicht mit dem ganzen Hirn bewusst dabei ist. Mir kam gestern ein Gedanke: Ob das wohl daran lag, dass er 2013 nochmals eine Shunt-OP brauchte? Vielleicht war dabei der Hirndruck über längere Zeit unbemerkt erhöht und hat noch etwas mehr verletzt? Selbst wenn - jetzt ist es so. Wenigstens bedeutet das, dass er auch in Teilzeit „anwesend“ und ganz bewusst & wach sein kann. Das ist immer noch besser, als völlig in sich eingeschlossen oder gänzlich ohne Teile seiner „alten“ Persönlichkeit zu sein. Kommentare sind geschlossen.
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August 2020
AutorIn den ersten dreieinhalb Jahren nach dem Unfall fast immer mit dabei |